Rolle der Medien in der Einwanderungsgesellschaft

Wie können die österreichischen Medien aus Ihrer Sicht zur interkulturellen Integration beitragen? Sind JournalistInnen mit Migrationshintergrund in den Medien unterrepräsentiert?

Rainer Nowak, 2020, Copyright www.peterrigaud.com

Rainer Nowak

Herausgeber und Chefredakteur Die Presse 

Fehlerkultur und Selbstkritik

Medien seien nicht die vierte Gewalt, als die sie sich selbst gerne darstellen, sondern eine Institution des Fragens, formulierte der Schweizer Journalist Frank A. Meyer kürzlich. Ihre Aufgabe ist daher, Wissen zu liefern und Verstehen zu ermöglichen. Wenn Journalistinnen und Journalisten die richtigen Fragen stellen, dann ist das ihr Beitrag – auch jener zur interkulturellen Integration. Wie undifferenziert das mitunter passierte, zeigten Forscher der Universität Wien 2018 in einer europaweiten Studie daran, wie undifferenziert etwa der Begriff „Migration“ in den Medien verwendet wird: „Migranten werden von den Medien mehr als homogene Gruppe denn als Individuen dargestellt. Man betont die Distanzierung zu ihnen und charakterisiert sie als ,anders‘“, war eine der Erkenntnisse. 

Den Qualitätsmedienhäusern kommt daher die entscheidende Rolle zu, diese Menschen in ihre Teams zu holen. Dass Diversität dabei in der Vergangenheit keine sonderlich große Rolle spielte, zeigt sich an der Zahl der Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund, die aktuell für österreichische Medien arbeiten.  

Umso erfreulicher ist, dass die Leserinnen und Leser der „Presse“ zuletzt die Initiatorinnen des Projekts Newcomer, bei dem Migrantinnen versuchen, Migranten die heimische Medienlandschaft näherzubringen, zu den „Österreicherinnen des Jahres 2020“ gewählt haben. 

Unabhängig von der Biografie der einzelnen Journalistinnen und Journalisten gilt gerade in einer Zeit, in der von Links wie von Rechts laufend Fake-News-Vorwürfe laut werden, noch stärker auf die Regeln des Qualitätsjournalismus zu setzen, also auf die strikte Trennung von Information und Kommentar, auf das alte, wichtige Ringelspiel Check, Re-Check, Double-Check, auf vollkommene Transparenz, sofern diese nicht dem Quellenschutz widerspricht, und auf unseren Grundsatz „Audiatur et altera pars“, also auch immer die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen. Medien wie „Die Presse“ versuchten und versuchen, das täglich zu bewerkstelligen. Mitunter gelingt dies nicht, was einzugestehen ist, denn genau das ist ein weiteres Antidot gegen Verschwörungstheorien und Lügenpresse-Vorwürfe: Fehlerkultur und Selbstkritik.

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Georg Spatt

Ö3-Senderchef 

Wenn uns nicht gerade eine Pandemie „im Griff hat“, sind wir ja eigentlich alle ständig „unterwegs“, ob in der Freizeit, im Urlaub oder wegen einer Beziehung, wegen der Schule, des Studiums, der Ausbildung oder dem Beruf. Wir wandern ständig irgendwo ein und aus, sind Gastgeber oder Gäste, Hiesige oder Fremde. Eigentlich leben wir nicht in einer Einwanderungsgesellschaft, sondern sind eine Wanderungsgesellschaft. 

Schon klar, so einfach kann man es sich nicht machen. Aber warum eigentlich nicht? 

Als Medien sind wir nicht Spiegel der Gesellschaft, sondern vor allem Bühne unserer Gesellschaft. Daher stellen wir uns auch ständig die Frage, ob wir als Intendanten und Regisseure dieser Bühnen eigentlich das richtige Stück „geben“. In der besten Besetzung? Und spannend inszeniert?  

Wahrscheinlich nicht immer, aber immer öfter.

Im Wechselspiel mit unserem Publikum, das von uns oft unterschätzt wird, können und müssen wir uns sicher noch mehr Kreativität und Inspiration – manchmal wahrscheinlich auch Mut – zusprechen und „erlauben“. Wir müssen in unserer „Erzählung“ die gelernten und übertragenen Storys und Plots sowie unsere internen Workflows und Rituale schneller, manchmal sicher auch radikaler (neu) interpretieren und unser Tempo dem aktuell massiven Wandel anpassen. Neugierde, Aufmerksamkeit, die Freude an der Aufklärung und das naiv anmutende, aber wichtige Bekenntnis, die „Welt retten zu wollen“, sind dabei unverändert gute Ratgeber und wichtige Motivatoren.    

Wir sind auf einem guten Weg, aber wir lassen auf diesem Weg noch viele Chancen liegen. Ich freue mich daher sehr auf die gemeinsamen „Aufführungen“ der nächsten Jahre. 

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Mag.a Eva Roither

Ö1-Journalistin, Producerin der Dokumentationsreihe „Hörbilder“, JournalistInnenpreisträgerin Integration 2019 für das Ö1-Hörbild „Am Nullpunkt. Fünf syrische Frauen erfinden sich neu.“ 

Als Journalistin und als Sendungsverantwortliche für die Ö1-Feature-Reihe „Hörbilder“ ist es mir wichtig, abzubilden, was längst Tatsache ist. Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund bestimmen das gesellschaftliche, politische und soziale Leben in Österreich mit, arbeiten in allen Bereichen, sind ExpertInnen, Kulturschaffende und BuchautorInnen. Sie in ihrer Funktion, in ihrer Profession zu zeigen und zu befragen und nicht auf die Thematik ihrer Herkunft zu reduzieren, erzeugt auch bei den RezipientInnen ein Bewusstsein dafür, dass diese Menschen ein fundamentaler Teil unserer Gesellschaft sind und diese mitgestalten, dass sie Role Models, Identifikationsfiguren und  Diskussionspartner sind. Noch ist das in den Medien nicht selbstverständlich und noch ist es eine Frage der redaktionellen Gewichtung: Berichtet man z.B. über Linda Zahra als Fotografin oder über Linda Zahra als Syrerin und thematisiert mit ihr hauptsächlich Fragen der Integration?  

Das führt mich zum nächsten Punkt: Wir brauchen in den Medien die Perspektive von JournalistInnen, die Zugang zu mehreren Kulturkreisen haben und deren Codes entziffern können. Wir brauchen den redaktionellen Austausch mit ihnen, da uns sonst Innenansichten sowie möglicherweise ein erweiterter Blick auf die Gesellschaft entgehen. Der in Tunesien geborene Ö1-Feature-Autor Mahmoud Lamine etwa hat in seinen vielen Radiodokumentationen sowohl einzigartige Innenansichten der arabischen Welt geliefert als auch mit seinem unverwechselbaren Zugang genuin österreichische Themen aufgegriffen. So hat er etwa den Wiener Naschmarkt oder das Café Hawelka porträtiert. Die Medienlandschaft wird dadurch interessanter und vielfältiger. Eine stärkere Präsenz von JournalistInnen mit sogenanntem Migrationshintergrund in den Medien würde auch die Gesellschaft besser abbilden. Aber noch sind wir dort nicht angekommen.  

Monika Eigensperger

Radiodirektorin ORF

JournalistInnen vermitteln objektive Information und berichten über Bedürfnisse, Anliegen und Themen, welche die Bevölkerung eines Landes bewegen. Sie tragen damit einen wesentlichen Teil zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Radio schafft Bilder in unseren Köpfen. Umso wichtiger ist es, dass die Berichterstattung so realitätsgerecht wie möglich ist und keinen Raum für einseitige oder stereotype Darstellung bietet.  

Ich bin mir der besonderen Verantwortung für den interkulturellen Dialog bewusst und weiß, dass die ORF-Radios einen großen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen und einer Repräsentanz von MigrantInnen leisten können. Diesem Anspruch werden ORF-Radio-JournalistInnen gerecht und leisten wichtige Bildungsarbeit für unsere Gesellschaft. Sie schaffen es, für die Themen Migration, Integration, kulturelle Vielfalt und demokratische Kultur zu sensibilisieren, und werden regelmäßig mit entsprechenden Preisen ausgezeichnet (CIVIS Medienpreis oder JournalistInnenpreis Integration). Für mich stehen alle drei ORF-Sender für kritischen Journalismus, Toleranz und Ausgewogenheit und bilden in der Berichterstattung und in den Radioprogrammen die österreichische Einwanderungsgesellschaft ab. 

Ob JournalistInnen mit Migrationshintergrund in den Medien unterrepräsentiert sind, kann ich für „die Medien“ nicht beantworten. Was ich aber weiß, ist, dass wir seit Jahren in den Radio-Redaktionen darauf schauen, diverser zu werden. Im Fall von z.B. FM4 tun sie das mit Sicherheit, denn gerade FM4 liegt Diversität in der DNA. Der Sender ist nicht nur nach außen, sondern auch nach innen divers und spiegelt politische und gesellschaftliche Entwicklungen auch strukturell wider. Annähernd die Hälfte der RedakteurInnen hier hat Migrationshintergrund.  

In den vergangenen Jahren haben es immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund geschafft, in der Medienwelt tätig zu werden. Diese zunehmende Diversifikation in den Redaktionen bereichert das Programm an Sichtweisen, Zugängen und Erfahrungen. Als Radiodirektorin der drei nationalen ORF-Radiosender und als Senderchefin von FM4 ist meine Haltung stets die gewesen, die Vielfalt der österreichischen Gesellschaft in unseren Radioprogrammen abgebildet zu hören.

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Muhamed Beganovic

Herausgeber und Chefredakteur QAMAR Magazin

Kurz gesagt: indem sie die Interkulturalität in ihren Alltag integrieren. Das kann (und soll) damit beginnen, den Diversitätsanteil im eigenen Haus zu erhöhen. Es fordert niemand einen 50:50-Split, aber die aktuellen Prozentsätze (teils im sehr niedrigen einstelligen Bereich) sind auch nicht sehr förderlich. Wir leben in einer sehr vielfältigen Gesellschaft. Diese gilt es auch in den Medien (immerhin die vierte Gewalt) zu repräsentieren. In den letzten 24 Monaten ist durchaus ein Wandel zu mehr Diversität in den Medien zu spüren, aber es gibt da noch sehr viel Luft nach oben. Denn es mangelt sehr an Vielfalt unter den EntscheidungsträgerInnen, vor allem bei Medien, die nicht ohnehin schon von Menschen mit einem Migrationshintergrund gegründet wurden. Das sollte man bedenken, wenn es nach der nächsten Pensionierungswelle Stellen zu besetzen gilt.  

Ist der personelle Wandel erst einmal vollzogen, kommt der nächste Schritt: Content-Diversifizierung. Wie bereits erwähnt, leben wir in einem diversen Land, haben aber sehr homogene Medien. Weil sich große Teile der Bevölkerung kaum bis gar nicht repräsentiert fühlen, konsumieren sie auch keine Medien. Damit verlieren Medien LeserInnen und potenzielle KundInnen und wir als Gesellschaft verlieren gut informierte BürgerInnen. Dabei wäre es so einfach, Geschichten über die Lebensrealitäten der unterschiedlichen Communitys in die Berichterstattung aufzunehmen. Nachdem man immer öfter das Gefühl bekommt, dass MedienmacherInnen die Ideen ausgehen und sie alte Evergreen-Geschichten recyceln, würde es ihnen ganz guttun, mal frischen Content einzubauen. Da ich sehr viele sehr schlaue und sehr engagierte KollegInnen kenne, weiß ich, dass es weder an a) Personal noch an b) Ideen mangelt. Es braucht nur noch den Willen der Medien. Also, liebe MedienmacherInnen: Integriert euch! 

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Walter Fahrnberger & Daniel Lohninger

Chefredakteure Niederösterreichische Nachrichten (NÖN) 

Die Qualität ist entscheidend 

Die Welt der Medien ist eine vielfältige. Das ist vor allem in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden und hat uns Journalisten nicht immer nur Freude bereitet. Mit dem Boom der sozialen Medien, die meist alles andere als sozial sind, ist die Zahl der Publizisten explodiert.  

Doch in diesen Netzwerken wird das oberste Gebot im Journalismus gerne missachtet: Von Check, Re-Check und Double-Check haben die meisten Poster noch nie etwas gehört. Die Grenze zwischen Meinung und Fakten ist nicht vorhanden oder verschwimmt, Gegenargumente werden nicht oder nur unzureichend beleuchtet. Daher ist der Wert des Journalismus heutzutage noch größer, dessen Relevanz jedenfalls gestiegen.  

Die nötige Qualität bieten jene Medien, die journalistische Prinzipien hochhalten und sauber arbeiten,- die Meinungsvielfalt garantieren und zugleich ein möglichst getreues Bild der Realität widerspiegeln. Diese Pluralität und Ausgewogenheit hilft gegen „alternative Fakten“, die sich hartnäckig halten. Als Lokalmedium kann man diese manchmal noch direkter bei der Wurzel packen.  

Was seriöse Informationen bewirken können, hat uns die Flüchtlingskrise 2015 deutlich vor Augen geführt. Auch in den kleinsten Dörfern Niederösterreichs war die Skepsis gegen die Migranten anfangs groß. Doch je mehr wir über konkrete Schicksale hilfesuchender Menschen berichtet haben, desto größer wurde die Akzeptanz. Das ging so weit, dass Menschen, die zu Beginn noch lautstark gegen die Flüchtlinge gewettert hatten, dann auf die Barrikaden gestiegen sind, als die Asylwerber abgeschoben werden sollten. 

Die Frage, ob Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund in den Medien unterrepräsentiert sind, muss leider mit „Ja“ beantwortet werden. Auch in unserem Verlag, dem NÖ Pressehaus, findet sich unter 80 angestellten Redakteuren und den mehr als 400 freien Redaktionsmitarbeitern nur eine Handvoll Personen mit Migrationshintergrund. Damit fehlt nicht nur ein wichtiger Teil der Bevölkerung, sondern auch die direkte Ansprache neuer potenzieller Leserinnen und Leser.  

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Emer. o. Univ.-Prof. Dr. Hans-Jürgen Krumm

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In allen Medien sind Sendungen unterrepräsentiert, in denen die von Migrantinnen und Migranten mitgebrachten Sprachen verwendet werden. Durch zweisprachige Sendungen, Originalfilme mit Untertitelung oder Ähnliches würde allen bewusst gemacht, dass die Welt (und auch Österreich immer schon) mehrsprachig war und ist und dass es Unsinn ist, alles nur an der Deutschkompetenz aufzuhängen. Zweisprachige Sendungen und Untertitelungen sind durchaus auch ein lernwirksamer Weg, sich Sprachen anzueignen. JournalistInnen mit Migrationshintergrund wären wahrscheinlich eher in der Lage, die Leistungen deutlich zu machen, die Migrantinnen und Migranten im Verlauf ihres Integrationsprozesses erbringen. 

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Dr. Thomas Götz

stv. Chefredakteur und Leiter Ressort Politik Kleine Zeitung

Österreich ist zwar zweifellos eine Einwanderungsgesellschaft geworden, seine Medienlandschaft trägt dieser Tatsache aber noch kaum Rechnung. Diese Aussage ist durchaus selbstkritisch gemeint. Unsere Zeitung beschäftigt derzeit keine keine Kolleginnen oder Kollegen, die aus dem Ausland zugewandert sind oder deren Eltern nicht aus Österreich stammen. Die paar Kollegen aus Deutschland nehme ich aus – diese Art von Migration ist in Ihrer Fragestellung ja sicherlich nicht gemeint. Andere österreichische Medien wie etwa „Die Presse“ oder der ORF sind in dieser Hinsicht schon einige Schritte weiter.  

Natürlich gibt es in Österreich Medien, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Integration und Migration beschäftigen, wie etwa die hervorragende Zeitschrift „Biber“. Sie erreicht allerdings nur einen beschränkten Kreis von Leserinnen und Lesern, den außerdem meistens schon ein ausgeprägtes Problembewusstsein auszeichnet. Überzeugungsarbeit muss hier gar nicht mehr geleistet werden. 

Worauf es also ankäme, ist eine bessere Durchmischung der Redaktionen der sogenannten „Mainstream-Medien“. Nur so ließe sich das Bewusstsein für die Bedeutung der Integration für unser Land schärfen. Nur so kann es auch etablierten österreichischen Medien gelingen, Zugang zu finden zu den unterschiedlichen Migranten-Milieus, die es in Österreich gibt und die sich oft unverstanden fühlen und abschotten. So schreiben wir immer über Menschen, ohne sie selbst zu Wort kommen zu lassen.  

Was folgt aus diesen Feststellungen? Es sollte in den nächsten Jahren zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass Redaktionen Kolleginnen oder Kollegen mit Migrationshintergrund aufnehmen, fördern und damit beauftragen, die bestehende Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Und jene Institutionen, die den Auftrag zur Ausbildung von Journalisten haben, sollten sich verstärkt um Interessenten aus den unterschiedlichen Migranten-Milieus bemühen.  

All das wird nicht schnell gehen. Es wäre aber ein wichtiger Beitrag zur Verkleinerung der Kluft, die in unserem Land zwischen der eingesessenen Bevölkerung und Zuwanderungsgruppen besteht.  

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Dr. Martin Bernhofer

Ö1-Programmchef 

Für einen „Klimawandel“ in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Diversität sind qualifizierte Medien unverzichtbar. Ihre Verantwortung geht über eine einfache Ursache-Wirkung-Relation von Berichterstattung und Meinungsklima weit hinaus. Qualitätsjournalismus sollte ein vollständiges Bild zeigen, das nicht nur Integrationsprobleme thematisiert und Stereotype aufdeckt, sondern auch eine Normalität abbildet, die unterschiedliche Lebenswelten auf konstruktive Weise verbindet. Diversität in den unterschiedlichen (Herkunfts-)Kulturen als Potenzial und Chance für die Gesellschaft zu zeigen und die Fixierung auf kulturelle und (Medien-) Ghettos aufzubrechen, kann zu einer kulturell verbindenden Form der Aufklärung beitragen.

Die journalistische Vermittlung unterschiedlicher sozialer und kultureller Milieus, Wertorientierungen und Lebenswelten sollte ein differenziertes Bild erzeugen, das offen bleibt für Kommunikation und Dialog. Alle Formen von Vielfalt brauchen Verstehen und Verständigung. Dazu gehört die mediale Vermittlung von Wissen ebenso wie eine verbindliche Diskussion über Werte. Medien als fundierter Ort der Information und Reflexion stärken eine offene Gesellschaft, in der man sich konstruktiv darüber verständigen kann, wie es sich mit Heterogenität und Unterschieden gut leben lässt: interkulturelle Integration auch als demokratischer Dialog. Da gerade in den „sozialen Medien“ häufig Unverständnis und die Abgrenzung von „Wir“ und den „Anderen“ in Filterblasen verfestigt und von Algorithmen verstärkt werden, ist die transparente Gatekeeper- und Forumsfunktion von Qualitätsmedien als „öffentlicher Raum“ unverzichtbar – für einen Zugang zu einem breiten Informationsangebot ebenso wie für den Diskurs und den Dialog, als Garant für eine liberale Demokratie und die Vermittlung zwischen den Kulturen, aber auch als öffentlicher Mentor interkultureller Integration. 

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Delna Antia-Tatic

Chefredakteurin Das Biber 

Ganz einfach: indem sie Journalistinnen und Journalisten mit Migrationsbackground einstellen. Denn die bringen nicht nur „Assets“ wie Mehrsprachigkeit und Kenntnisse über diverse kulturelle Codes, sie haben meist auch Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus gemacht. Das bringt eine neue Augenhöhe in den Journalismus: So kann statt von außen über MigrantInnen zu berichten, von innen heraus recherchiert werden und eine neue Qualität in die journalistische Berichterstattung gebracht werden – eine, die immer gefragter wird. Nicht umsonst machen große deutsche Medienhäuser Recruiting-Aufrufe, in denen sie dezidiert Menschen mit Migrationshintergrund, Fluchtbiografie und Diskriminierungserfahrungen ansprechen. Nicht umsonst ist die biber-Akademie in Österreich und Deutschland inzwischen als Kaderschmiede für Jungtalente bekannt, die nicht aus klassisch bürgerlichen Familien stammen, sondern im Gemeindebau groß wurden, sich das Kinderzimmer mit ihren Geschwistern teilten und die Mutter zum Putzjob begleiteten.

Dass genau dieser anti-elitäre Zugang Früchte trägt, zeigt sich an den Gesichtern und Namen, die inzwischen in Medienhäusern wie ORF, Kronen Zeitung, Heute u.v.m. als journalistische Stars tätig sind. Das ist eine Errungenschaft. Immerhin sind es Menschen wie sie, die tagtäglich als Objekte für Schlagzeilen herhalten müssen – und zwar jedes Mal dann, wenn über „die“ Migranten debattiert wird. Wenn Redaktionen divers werden, wird nicht nur die Berichterstattung interessanter, differenzierter und fairer, es schafft darüber hinaus auch Repräsentation. Diese JournalistInnen werden Rolemodels für die jüngeren Generationen, besonders für jene, die wenig privilegiert und oft frustriert sind und nicht wissen, ob sie dazugehören oder nicht. Sobald ModeratorInnen auch Gizem und Ali heißen, ChefredakteurInnen schwarz sind und in Redaktionen mehr als ein Quoten-Muslim vertreten ist, wird sich auch das Bild von MigrantInnen in unserer Gesellschaft verändern. Damit schaffen wir Diversität auf Augenhöhe.  

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Dejan Sudar

Herausgeber KOSMO  

Die Aufgabe der österreichischen Medien in der Einwanderungsgesellschaft wäre es, sich mit kulturellen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zu befassen, diese greifbar zu machen, Verständnis bei den jeweils anderen zu schaffen und Menschen mit Migrationshintergrund eine Plattform zu bieten. Dies klingt in der Theorie relativ einfach. In der Praxis ist es jedoch aus diversen Gründen oftmals schwer, dieser Brückenfunktion zwischen der Mehrheitsgesellschaft und migrantischen Communitys nachzukommen. Auch wenn viele den journalistischen Anspruch an sich stellen, dass Menschen mit Migrationshintergrund viel mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen sollen, so muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass österreichische Medien zum größten Teil sogenannte „autochthone Österreicher“ zu ihren Lesern zählen. 

Aus wirtschaftlichen und marketingtechnischen Gründen ist es ihnen aber auch oftmals schlichtweg nicht möglich, Themen von und für Menschen mit Migrationshintergrund bzw. rund um die interkulturelle Integration ausreichend zu behandeln. Auch wenn ich dies persönlich nicht besonders gutheiße, so kann ich es bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Ein weiterer Punkt, der hier hineinspielt, ist die Tatsache, dass österreichischen Medien in vielen Bereichen auch die notwendige Expertise, d.h. Journalisten mit Migrationshintergrund, fehlt. Ohne diese Menschen in das Themenfeld Integration bzw. Diversität drängen zu wollen, haben Journalisten mit interkulturellem Background schlichtweg andere und womöglich bessere Tools, um bestimmte Themen zu bearbeiten. Dies darf jedoch keinesfalls bedeuten, dass sie nur in diesen Bereichen ihren Platz finden. Ich bin ein großer Befürworter von Diversität in der Medienlandschaft, in jeglicher Hinsicht. Hier besteht bei den österreichischen Medien auf jeden Fall Nachholbedarf. Diesbezüglich möchte ich aber gleichzeitig auch einen Appell an alle Journalisten mit Migrationshintergrund richten, aktiver und lauter zu werden. 

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Mag.a Dr.in Petra Herczeg, Privatdoz.in

stv. Studienprogrammleiterin und Senior Lecturer am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, Autorin des ORF  

„Wer sagt was über welchen Kanal zu wem mit welcher Wirkung?“ Die berühmte Lasswell-Formel von 1948 kann auch als Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, wie es um das Thema „Migration, Journalismus, Publikum und österreichische Medien“ bestellt ist.  

Zu „Wer“: JournalistInnen mit Migrationshintergrund sind in den österreichischen Medien unterrepräsentiert. Dies zeigen unterschiedliche empirische Erhebungen über den Anteil von JournalistInnen mit Migrationshintergrund in Österreich. „Was“ wird in den Medien über MigrantInnen berichtet? Diese werden zumeist in einem negativen Kontext – „In welchen Kanälen?“ – In vielen Medien – dargestellt. Und zu „Wem“: Wir haben es mit einem dispersen, vielfältigen Publikum zu tun, das erreicht werden soll – mit und ohne Migrationshintergrund. „Mit welcher Wirkung“: mit der, dass im Idealfall die Orientierungsmöglichkeiten des Publikums gestärkt werden und Vorurteile nicht weiter perpetuiert werden

In einer sich immer weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft ist es notwendig, dass Menschen mit unterschiedlicher Herkunft in den verschiedenen Medien vertreten sind. Dabei ist Vielfalt in der Berichterstattung kein Selbstzweck, sondern die Herausforderung, sich sowohl mit kulturellen Differenzen und Widersprüchlichkeiten als auch Gemeinsamkeiten zu befassen, das Publikum einzubinden und zu zeigen, dass in einer Demokratie Partizipation auf verschiedenen Ebenen stattfinden kann. Diversität geht uns alle an, ob wir wollen oder nicht. Die Einbindung von vielen Menschen in den Journalismus und über den Journalismus in gesellschaftliche Prozesse kann nur dann gelingen, wenn verstanden wird, dass eine offene demokratische Gesellschaft nur dann möglich ist, wenn Vielfalt gefördert, akzeptiert und gewollt ist. Eine aufgeklärte Gesellschaft muss sich den unterschiedlichsten kommunikativen Herausforderungen stellen. 

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Dipl.-Ing Birol Kilic

Geschäftsführer Neue Welt Verlag 

Sie können sehr viel Positives beitragen. In Österreich leben laut Statistik Austria ca. 1,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Infolgedessen nimmt die Diversität in der Bevölkerung in unserem Land zu, wobei die Relevanz der interkulturellen Fragestellungen parallel dazu ebenfalls zunimmt. Interkulturelle Integration ist seit geraumer Zeit in aller Munde, aber man weiß nicht genau, wie man sie definieren soll. Durch die komplexen asylsuchenden Migrantenströmungen aus verschiedenen Ländern, durch die schon vorhandenen MigrantInnen aus Drittländern und durch die EU entstehen positive Befruchtungen, aber auch oftmals diametrale Interessen, die sich aus der Geschichte, dem aktuellen politischen Umfeld und der Wirtschaft ergeben. 

Die Medien können sich mit unabhängigen Experten unterhalten und beraten. Wir stehen gerne zur Verfügung. Dabei sollte man ein bisschen Empathie für andere Kulturen mitbringen, um sie kennenzulernen. Dennoch sollte die österreichische Kultur vermittelt und nähergebracht werden. Oberstes Gebot für die interkulturelle Integration ist es, für das Wohl des Landes und des Rechtsstaates vor allem die freiheitlichen, säkularen und demokratischen Werte, die man in Österreich mit Mühe gewonnen hat, zu vermitteln. 

Es geht aber in erster Linie nicht darum, dass mehr migrantische MitarbeiterInnen beschäftigt sein sollten, die eventuell mehr Empathie gegenüber MigrantInnen haben, sondern darum, dass die einheimischen, autochthonen MedieninhaberInnen, HerausgeberInnen und ChefredakteurInnen diese MigrantenInnenzielgruppe, egal, woher sie stammt, als jetzige und zukünftige „KundInnen“, sprich als Leserschaft, gewinnen wollen. Im Endeffekt leben Zeitungen von diversen Inseraten, sei es von Versicherungen, Immobilienfirmen, Technologieunternehmen, Banken oder Gesundheitsstellen. All diese Bereiche betreffen auch MigrantInnen. Diese Zielgruppe ist genauso Konsument, der Markenware haben möchte, das beste Handy besitzen will und das teuerste – manchmal das billigste – Auto fahren möchte. 

Diese Erkenntnis ist wichtig und wertvoll. Es muss eine „Geben-und-Nehmen-Politik“ bzw. ein Angebot entstehen.

Die Konkurrenz und das Angebot in den einheimischen Medien sind zu groß, vor allem unter den dazukommenden AbsolventInnen, und die Qualität der Qualifikationen dafür zu gering. Prinzipiell gibt es genug MigrantInnen im Journalismusbereich am Arbeitsmarkt. Die Frage ist eher, ob sie die dafür notwendigen Kompetenzen haben und geeignet sind. Im Endeffekt geht es darum, korrekten Journalismus zu betreiben. Somit sollte den Besten eine Chance gegeben werden – egal, woher sie kommen.  

Aber die österreichischen Medien dürfen die wenigen MigrantInnen, welche publizieren, nicht ausschließlich als „Haus- und Hofberichterstatter“ für Integrationsthemen heranziehen. Dieses Unterfangen ist bereits in der Politik schiefgegangen. Die Leserschaft möchte informiert und nicht erzogen werden. Es darf bei den Themenstellungen keine Tabus geben. Die Wahrheit ist auch MigrantInnen zumutbar. Das können die einheimischen Medien meiner Meinung nach viel besser machen, wenn sie auf objektiven, seriösen und echten Journalismus und JournalistInnen setzen.

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Michael Völker

Ressortleitung Innenpolitik und Panorama Der Standard 

Chancen einfordern und wahrnehmen 

Medien sind so wichtig für die Integration – und sie kommen dieser Verantwortung kaum nach, auch weil sie sich dieser Verantwortung kaum bewusst sind. Integration ist ja keine Einbahnstraße. Sie muss Angebote und Einladungen beinhalten, sie muss fordern und fördern, sie muss beide Seiten erreichen: jene, denen man ein Angebot machen soll und muss, und jene, die dieses Angebot stellen sollen. Integration kann letztlich nur funktionieren, wenn alle aufeinander zugehen. Und da kommt Medien eine entscheidende Rolle zu: Sie können Aufklärung betreiben, Anregungen bieten, Anreize schaffen, Verständnis fördern, Mittel einfordern, Maßnahmen hinterfragen und die Politik in die Pflicht nehmen.  

So wichtig es auch ist, die Politik zu fordern und Maßnahmen einzufordern und die Sprache zu hinterfragen, so wichtig wäre es auch, die Auseinandersetzung von der akademischen, theoretischen Ebene runterzuheben und auf die Menschen zuzugehen, Menschen zu beschreiben, ihnen in den Medien Platz zu geben, ihnen Fragen zu stellen und ihre Antworten weiterzutragen, ihre Umstände und Bedürfnisse zu schildern, sie greifbar zu machen, sie ernst zu nehmen. Das sollte allen helfen: jenen, die direkt betroffen sind, und jenen, die sich vor einer Betroffenheit drücken und so tun, als ginge sie das nichts an. 

Wenn wir das tatsächlich so meinen und angehen wollen, sollten wir, die Medien, endlich aus der Rolle des distanzierten Beobachters rauskommen und jenen Platz bieten, über die wir hier reden. Menschen mit Migrationshintergrund sind in den Medien dramatisch unterrepräsentiert. Das muss sich ändern. Dazu müssen beide Seiten ihre Scheu verlieren: die Medien und jene, über die wir hier reden: Menschen mit Migrationshintergrund müssen offensiv und selbstbewusst auf die Medien zugehen und ihren Platz und ihre Rolle einfordern. Sie müssen sich mit ihrer Geschichte, ihrem Weltbild und ihrem Umfeld einbringen und so die Chance ergreifen und wahrnehmen, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern.  

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Hannah Wahl

freie Journalistin, Öffentlichkeits- und Pressearbeit für den Unabhängigen Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 

Der österreichische Journalismus ist ein Abbild seiner Medien, Redaktionen und den darin Verantwortlichen. Er ist überwiegend weiß, männlich und kaum divers. JournalistInnen mit Migrationshintergrund, besonders in entscheidungstragenden oder öffentlichkeitswirksamen Positionen, sind eine Seltenheit. Diese Homogenität entspricht keinesfalls unserer Gesellschaft und ist damit ein überdeutlicher Hinweis auf strukturelle Exklusion und Diskriminierung, die auch in der Medienwelt dringend beseitigt werden muss. Der österreichische Journalismus muss, wenn er seinen Auftrag ernst nimmt, eng an die gesellschaftliche Realität gekoppelt sein und seine Redaktionen vielfältig besetzen.

Das meiste von dem, was wir über die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich wissen, stammt vermutlich von JournalistInnen, die noch nie aufgrund ihrer Herkunft oder der ihrer Eltern diskriminiert wurden. Oft wird gefragt: Wenn JournalistInnen objektiv berichten müssen, ist es dann nicht egal, wer berichtet? Nein, denn alle gestalterischen Entscheidungen werden von JournalistInnen und Medienverantwortlichen getroffen. Dazu gehören zum Beispiel die Auswahl von InterviewpartnerInnen und Themenfeldern und die Entscheidung, worüber berichtet wird und worüber nicht. Es geht nicht darum, dass Menschen mit Migrationshintergrund unterschiedliche journalistische Fertigkeiten hätten, sondern um vielfältige Perspektiven und individuelle Erfahrungen, die den Zugang zu Themen ausmachen. Auf diese Perspektive zu verzichten und eine homogene Berichterstattung in Kauf zu nehmen, ist eine absolute Fehlentwicklung. Wir benötigen jedoch nicht nur Strategien, um Menschen mit Migrationshintergrund für journalistische Arbeit zu begeistern, denn darin liegt nicht das Problem, sondern müssen auch echte Chancen für den Weg dorthin schaffen. Erst wenn diese und viele andere Barrieren abgebaut sind, kann der österreichische Journalismus seinen vielfältigen Zielgruppen und seinem Auftrag gerecht werden. 

Portrait Alois Vahrner, Chefredakteur CR TT Tiroler Tageszeitung vahral -  Mitarbeiter Moser Holding MOHO Portraits / Foto: Thomas Boehm 2018 02 02 ( böhm )

Alois Vahrner

Chefredakteur Tiroler Tageszeitung 

Den klassischen Medien kommt gerade in der jetzigen Zeit der Umbrüche sowie verschiedener Krisen eine extrem wichtige Rolle zu – vielleicht sogar eine noch wichtigere als früher. Die aktuelle Corona-Pandemie hat vieles beschleunigt, etwa den digitalen Wandel. Andere große Themen wie die Klimakrise, das größer werdende soziale Ungleichgewicht und Migration sind wohl nur für kurze Zeit in der öffentlichen Debatte etwas in den Hintergrund getreten. 

Wie aktuell die verschiedenen Corona-Einschnitte wurde auch die Frage der Zuwanderung und Integration in der Bevölkerung teilweise sehr kontrovers und in der Politik teils auch mit populistischen Ressentiments geführt. Qualitätsmedien wie der „Tiroler Tageszeitung“ kommt gerade bei so bedeutenden Themen die für das ganze Land essenzielle Aufgabe zu, hier möglichst umfassend und sachlich zu berichten und so auch mögliche Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen. Es geht darum, stets umfassend zu recherchieren. Dadurch kann auch immer wieder so manche Fehlmeldung aus Postings in den sozialen Netzwerken widerlegt werden. 

Österreich ist traditionell seit jeher auch ein Einwanderungsland – von der Monarchie bis heute. Medien können sehr viel zum interkulturellen Verständnis beitragen. Das ist auch ganz klar ihre Aufgabe. Die „Tiroler Tageszeitung“ publiziert etwa jedes Jahr in dutzenden Berichten und Kommentaren positive Beispiele des Zusammenlebens, des gegenseitigen Verstehens und der Integration. Diese kann ohnehin nur gelingen, wenn sich alle Beteiligten darum bemühen. Ganz klar gehört es aber auch zur Aufgabe von Medien, darüber zu berichten, wenn Dinge schieflaufen, ob das die Schuld von bereits Ansässigen oder auch von Zuwanderern ist. Ein positives Klima versuchen wir zu verstärken, indem sich alle Bevölkerungsschichten regelmäßig in der Zeitung wiederfinden und über ihre Anliegen und Probleme objektiv berichtet wird.  

Die Gesellschaft ist im Wandel. Dementsprechend sind dies auch die Medien. Österreich hat in seiner Bevölkerung einen großen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund. Durchaus von Vorteil ist es, wenn sich gesellschaftlicher Wandel auch in der Redaktion widerspiegelt. Die „Tiroler Tageszeitung“ ist daher sehr interessiert daran. Wir in der Chefredaktion unterstützen diesen Weg ausdrücklich, damit die Zahl der Redaktionsmitglieder mit Migrationshintergrund steigt – auch weil die Zeitung dadurch noch bunter und informativer wird und wir noch näher an den Themen dran sind. Wir haben derzeit einen sehr guten Politikredakteur mit türkischem Migrationshintergrund, ein anderer macht nach seinen Lehrjahren bei der „Tiroler Tageszeitung“ mittlerweile in Wien Karriere. Bei Stellenausschreibungen müssen wir allerdings auch immer wieder die Erfahrung machen, dass sich die Zahl der Interessentinnen und Interessenten mit MIgrationshintergrund teilweise leider noch sehr in Grenzen hält. Klar ist, dass die Qualifikationskriterien erfüllt sein müssen, dann ist die „Tiroler Tageszeitung“ auch sehr an Verstärkung durch gute und interessierte Journalistinnen und Journalisten interessiert. 

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Dr. Walter Hämmerle

Chefredakteur Wiener Zeitung  

Können Medien zur interkulturellen Integration beitragen? Und wenn ja, wie genau? Das ist eine wichtige Frage. Leider ist sie aber auch sehr schwer zu beantworten. Ich will es trotzdem versuchen. 

Zunächst einmal ist die Frage zu allgemein gestellt. Weder gibt es „die“ Medien, noch lässt sich so einfach greifen, was mit dem doch eher vagen Begriff der „interkulturellen Integration“ konkret gemeint ist. Ein kleines Qualitätsmedium wie die „Wiener Zeitung“, das klassisch in Print sowie digital berichtet und analysiert, kann einen Teil der etablierten Noch-Mehrheitsgesellschaft erreichen, indem sie Integrationsthemen aufgreift. Die Communitys der Zuwanderer sind erfahrungsgemäß eher selten unsere Leser. Viel mehr als ein bisschen Bewusstsein für die enorm unterschiedlichen und enorm komplexen Themen des Zusammenlebens zu schaffen, steht nicht in unserer Macht, zumal Journalismus mit erhobenem Zeigefinger meiner Überzeugung nach meistens zum Gegenteil von dem führt, was damit erreicht werden will. 

Natürlich sind Journalisten und Journalistinnen mit Migrationshintergrund in fast allen etablierten Medien unterrepräsentiert. An dieser Schraube zu drehen, ist sicher nicht falsch. Zu glauben, damit wären alle Probleme gelöst, ist ein Fehler. Erstens sind grundsätzlich nie alle Probleme gelöst. Zweitens wird immer die eine oder andere Gruppe unserer diversen und immer diverser werdenden Gesellschaft unterrepräsentiert sein. Das soll keine Ausrede sein, nur ein Hinweis darauf, dass dies alleine nicht zum Zweck führt. 

Hinzu kommt, dass genau dieser Prozess der Aufspaltung (ich meine den Begriff nicht negativ) dazu führt, dass immer mehr Medienangebote für einzelne Gruppen der Gesellschaft entstehen. Die „Lagerfeuer“, um die herum wir uns dann als Gesellschaften versammeln, werden dann zwar vielleicht besser wärmen, aber eben auch deutlich kleiner sein. Der interkulturellen Integration kann dies nicht wirklich helfen. 

Was also tun? Hinschauen, wo interessante Geschichten sind, mit und ohne interkulturellen Bezug, und diese möglichst interessant erzählen. Das stärkt die Attraktivität und Glaubwürdigkeit von uns Medien bei möglichst vielen Menschen in diesem Land. Ohne diese beiden Attribute sind alle anderen Bemühungen zwecklos. Und dann wird auch die interkulturelle Integration funktionieren. 

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Dr.in Irmgard Wetzstein, MA

Senior Lecturer an der Fakultät für Sozialwissenschaften, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien

Fragt man danach, welche Rolle Medien in der Einwanderungsgesellschaft spielen, muss die Antwort lauten: eine zentrale. Das Bild, das wir von Menschen mit Migrationsgeschichte haben, speist sich oft nicht aus direkten, persönlichen Begegnungen, sondern aus allem voran medienvermittelten Sekundärerfahrungen. In der Medienforschung wird die Relevanz von Massenmedien für das gesellschaftliche Gefüge u.a. durch deren viel besprochene Integrationsfunktion erklärt: Massenmedien, bspw. Nachrichtenmedien, wird, knapp formuliert, eine wesentliche Rolle beim „Zusammenbringen“ gesellschaftlicher Gruppen zugeschrieben. Dass dies gerade in der Berichterstattung über Migration und Integration oft nicht gelingt, scheint offenkundig. 

Journalistische Texte (und Bilder) in diesem Themenbereich bedienen nicht selten bewusst oder unbewusst und mehr oder weniger subtil ein „Wir gegen die anderen“-Narrativ bzw. – wissenschaftlich ausgedrückt – den Mechanismus des „Othering“: Durch das Verwenden und Perpetuieren diskriminierender Stereotypisierung konstruieren und etablieren sie eine Wahrnehmung von Menschen mit Migrationsgeschichte als sozial bzw. gesellschaftlich „Andere“ bzw. Außenstehende. „Othering“ im journalistischen Thematisieren von Migrations- und Integrationsthemen zu vermeiden, scheint aufgrund seiner wohl starken Verwurzelung im Themenbereich eine schwierige Herausforderung, ist aber für eine an Fairness, Sachlichkeit und an der beschriebenen Integrationsfunktion orientierten Berichterstattung notwendig. In der Journalismusforschung diskutierte Konzepte wie „Konstruktiver Journalismus“ oder „Positiver Journalismus“ sind zwar Randerscheinungen journalistischer Praxis, können aber ebenso wie ethnische Medien wertvolle Impulse liefern. JournalistInnen brauchen zudem entsprechende zeitliche, räumliche, finanzielle und organisatorische Ressourcen. Ausschlaggebend dafür sind, wie so oft, die Rahmenbedingungen. 

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Ing. Rudolf A. Cuturi, MAS, MIM

Herausgeber Oberösterreichische Nachrichten  

Ich habe keine Ahnung, ob Journalisten oder Journalistinnen mit Migrationshintergrund in den österreichischen Medien unterrepräsentiert sind. Ich weiß nicht einmal, wie viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund bei den Oberösterreichischen Nachrichten arbeiten, da dies bei uns bei der Auswahl von Journalisten und Journalistinnen kein Kriterium ist. Wir wählen unsere Mitarbeiter in erster Linie nach dem Kriterium, ob sie gut schreiben können oder nicht. 

Was die kulturelle Integration betrifft: Voraussetzung dafür ist, dass Migranten bereit sind, eine solche anzunehmen. Das ist leider nicht überall der Fall und hängt meistens in sehr unterschiedlicher Weise vom Ursprungsland und der dort herrschenden Kultur ab.  

Viel mehr als die Medien könnte die österreichische Bevölkerung selbst zur Integration beitragen, was auch zum Teil bereits der Fall ist. Allerdings lehnen Teile der österreichischen Bevölkerung nach wie vor eine Integration ab. 

Ein großes Hindernis bei der ersten Migrantengeneration ist die sprachliche Barriere. Ich glaube, dass eine weitgehende Integration erst bei der zweiten oder dritten Generation von Migranten, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, zu erreichen sein wird. 

Ein positiver Aspekt zum Abschluss: Österreich ist es immer gelungen, Migranten aus den unterschiedlichsten Ländern in relativ kurzer Zeit zu assimilieren. Gäbe es noch ein Wiener Telefonbuch, würde dieses einen ausreichenden Beweis dafür darstellen. 

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Sandra Ivkic

Gesamtleitung Integrationsmaßnahmen ÖIF – Österreichischer Integrationsfonds

Medien informieren über aktuelle Geschehnisse und Themen, sie vermitteln Orientierung und einen Einblick darin, was die Menschen einer Gesellschaft bewegt. Außerdem fördert der Konsum von Medien das Erlernen der Landessprache. Die deutsche Sprache zu erlernen, ist ein Grundpfeiler der Teilhabe an der österreichischen Gesellschaft. Die Bedeutung der Sprachbeherrschung zeigt sich gegenwärtig deutlich in Zusammenhang mit den Corona-Sicherheitsbestimmung. Mit Blick auf die wachsende Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich versuchen Medien, auch Personen mit noch geringen Deutschkenntnissen zu erreichen. So bietet der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seiner News-Seite die wichtigsten Nachrichten in einfacher Sprache an, Handy-Apps versehen TV-Sendungen mit Untertiteln in unterschiedlichen Sprachen und zahlreiche Medien bieten einen leicht verständlichen Nachrichtenüberblick an. Solche Angebote sind eine wichtige Maßnahme, um in Österreich lebenden Personen den Zugang zu tagesaktuellen Informationen zu ermöglichen.

Für viele ZuwanderInnen stellen auch sogenannte Ethno- oder Community-Medien zentrale Informationsquellen dar, besonders für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Vor allem im Zuge der COVID-19-Pandemie hat sich ein mehrsprachiges Angebot als besonders wichtig erwiesen, um so viele Personen wie möglich über die aktuell geltenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen zu informieren. Der Österreichische Integrationsfonds hat auf www.integrationsfonds.at/coronainfo einen Informationsüberblick geschaffen, der in 17 Sprachen laufend aktualisiert wird. In einzelnen Herkunftsgruppen halten sich spezifische Fehlinformationen und Mythen rund um das Coronavirus besonders hartnäckig. Hier tragen Community-Medien eine besondere Verantwortung, durch sachliche und faktenbasierte Informationen einen Beitrag zu leisten. 

Dr. Gudula Walterskirchen, geboren in Niederösterreich, ist Buchautorin, Historikerin und freie Journalistin.

Dr.in Gudula Walterskirchen

Herausgeberin Niederösterreichische Nachrichten (NÖN) und Burgenländische Volkszeitung (BVZ) 

Die Frage nach der Rolle der Medien in unserer multiethnischen Gesellschaft kann grob mit zwei Zugängen umrissen werden: Inwieweit kommen Migranten in Medien vor und in welchem Ausmaß konsumieren Migranten österreichische deutschsprachige Medien? 

Eine Umfrage des Instituts „EthnOpinion“ aus dem April 2015 ergab, dass etwa 20 Prozent der befragten Migranten mit nicht-deutscher Muttersprache Medien ausschließlich in ihrer Muttersprache konsumieren. Interessant ist, dass der Anteil in der türkischen Community wesentlich höher war und dass die jüngere Generation signifikant öfter Medien in der Muttersprache konsumierte als die erste Generation. Die Umfrage wurde allerdings vor der großen Migrationsbewegung 2015 erstellt und danach nicht mehr aktualisiert. 

Es steht zu vermuten, dass der Anteil jener, die heimische deutschsprachige Medien als bevorzugte Informationsquelle nutzen, inzwischen nicht unbedingt größer geworden ist. Das betrifft nicht nur die sogenannten bildungsfernen Schichten, wie man vermuten könnte. Auch das Akademikerpaar aus Italien, um ein konkretes Beispiel zu geben, beide in gehobenen Positionen tätig, sieht ausschließlich italienische Nachrichten und liest  ausschließlich italienische Zeitungen. Nur nebenbei bekommt es mit, was in Österreich vor sich geht – obwohl sie beide hier seit vielen Jahren leben, Steuern zahlen und ihre Kinder in Österreich zur Schule gehen.

Die Gründe, warum Einwanderer nur schwer mit österreichischen Medien zu erreichen sind, sind vielfältig. Hauptgrund sind sprachliche Barrieren, denn es ist schlicht bequemer, via Satellit oder Internet in seiner Muttersprache informiert zu werden, als sich in einer angelernten Sprache durch Beiträge und Artikel zu mühen.  

Ein weiterer Grund ist die Art und Weise, in der Migranten in den Medien vorkommen. Einwanderer sind in den Medien immer noch meist Objekt der Berichterstattung, statt selbst an der Berichterstattung mitzuwirken und damit auch ihre Lebensrealität und ihren speziellen Zugang sichtbar zu machen. Vor allem in der Lokalberichterstattung sind selten Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund aktiv. Migranten wiederum kommen im Lokalteil fast ausschließlich im Zusammenhang mit Kriminalität und Problemen im Zusammenleben vor. Umgekehrt ist es für Journalisten schwierig, an Vertreter migrantischer Communitys heranzukommen. Wenn überhaupt, dann äußern sich „offizielle“ Vertreter, die aber meist nur eine Minderheit oder fundamentalistische Gruppen repräsentieren. Die breite Mehrheit bleibt stumm oder wird nicht gefragt. 

Im Jahr 2012 publizierten Mitarbeiter der Uni Innsbruck eine interessante Studie: Demnach lag damals der Anteil von Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund in „Mainstream-Medien“ unter einem Prozent. Seither wurden zwar etliche Migrantenmedien gegründet, aber in den traditionellen Medien dürfte der Anteil nur unwesentlich gestiegen sein. 

Migrantenmagazine sind ein guter Ansatz, aber letztlich sollte sich im Medienbereich keine Parallelwelt etablieren. Das gelingt nur, wenn beide Seiten – Medien und Konsumenten – füreinander echtes Interesse aufbringen und wenn vermehrt Einwandererkinder für den Journalismus interessiert werden können und ein selbstverständlicher Teil von Redaktionen werden.