Mehrsprachige Verwaltung

Braucht Österreich eine mehrsprachige Verwaltung? Warum bzw. warum nicht? Ist die österreichische Verwaltung ausreichend mehrsprachig? Falls nicht, welche konkreten Maßnahmen könnten zu solch einem Wandel beitragen?

Rudi Anschober, Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

Rudolf Anschober

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Die organisatorische Vielfalt der Verwaltung kann in ihrer Gesamtheit und Komplexität auf einen langen und sich stetig wandelnden Struktur- und Entwicklungsprozess zurückblicken. Gleichzeitig sind diese sich wandelnde Struktur und die permanente Weiterentwicklung von Recht und Gesellschaft eng mit der historischen Entwicklung unserer Republik und dem Alltag der Bürgerinnen und Bürger, die in unserem Land leben und arbeiten, verknüpft. In nahezu allen Lebensbereichen sind Bürgerinnen und Bürger heutzutage von Entscheidungen der mittelbaren und unmittelbaren Bundesverwaltung betroffen.

Dabei muss festgehalten werden, dass ein moderner Verwaltungsstaat schon lange nicht mehr ein reiner Hoheitsstaat ist, der seine Aufgaben mit Befehls- und Zwangsakten wahrnimmt und Entscheidungen durchsetzt.  Vielmehr hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Dienstleistungsverwaltung entwickelt, die sich gleichzeitig in vielfältiger Weise – gerade etwa im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Kulturbereich – zu einer Förderverwaltung entwickelt hat. Besonders in diesen gesellschaftspolitisch elementaren Lebensbereichen ist es in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, im Sinne einer modernen und bürgerfreundlichen Verwaltung Reformen und Evaluierungen vorzunehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die in der Vergangenheit eingeleitete Verwaltungsreform hat nicht nur zu einer wesentlichen Struktur- und Serviceoptimierung geführt, sondern bedient sich auch modernster digitaler Technologien, die es den Bürgern ermöglichen, ihre Anliegen rasch, unbürokratisch und direkt einzubringen und eine Lösung für ihre Probleme wie auch rechtliche Entscheidungsgrundlagen zeitnah zu erhalten.

Dazu gehört auch, dass man begonnen hat, viele Anträge und Formulare nicht nur in unterschiedlichen Fremdsprachen in den Ämtern und Behörden aufzulegen, sondern all diese mehrsprachigen Dokumente für die Antragsteller auch elektronisch und barrierefrei zur Verfügung zu stellen und viele Serviceseiten und Internetauftritte mehrsprachig anzubieten.

Ich habe gerade in meiner politischen Arbeit als Landesrat in Oberösterreich, aber auch als Sozial- und Gesundheitsminister in unzähligen persönlichen Gesprächen und Briefen erfahren, dass die Zurverfügungstellung mehrsprachiger Formulare (in den Ämtern wie elektronisch) ein elementarer und wesentlicher Schritt in Richtung Integration und Miteinander, aber auch in Richtung Bürgernähe bedeutet.

Nur wer den Zugang zu Ämtern und Behörden rasch und unbürokratisch schafft und auch hat, der wird langfristig die Möglichkeit haben, sein Recht geltend zu machen, Verantwortung zu tragen und seine Pflichten und Aufgaben zu erfüllen.

Meine Damen und Herren!

Es gibt im Bereich der mehrsprachigen Verwaltung bereits eine Vielzahl sehr guter und erfolgreich umgesetzter Beispiele. Unser hervorragend strukturierter Verwaltungsapparat muss hier den internationalen Vergleich keineswegs scheuen. Gleichzeitig sehe ich das auch als guten und wertvollen Arbeitsauftrag, den begonnenen Reformprozess fortzusetzen und sich nicht auf bereits erreichten Entwicklungserfolgen auszuruhen. Das gemeinsame Bemühen und die Weiterentwicklung einer modernen, vielsprachigen Gemeinschaft auch im Verwaltungsbereich sind langfristig der Garant für den dauerhaften sozialen Frieden in Österreich. Nehmen wir diese Chance wahr und entwickeln und finalisieren wir gemeinsam neue Ideen und Ziele!

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Dr. Michael Ludwig

Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, SPÖ

Zu den großen Stärken unserer Stadt zählen das Miteinander und der soziale Zusammenhalt. Einen ganz wichtigen Aspekt dieses wechselseitigen Respekts stellt unser Angebot einer mehrsprachigen Verwaltung dar. Diese wird von der Abteilung Integration und Diversität (MA 17) durch Projekte und mehrsprachige Publikationen gefördert. Um ein besonders aktuelles Beispiel zu geben: Speziell in der COVID-19-Pandemie, in der häufig neue Informationen veröffentlicht und neue Regeln bekannt gegeben werden, haben Menschen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch oft Verständnisprobleme. Deshalb bietet die Stadt Wien während der Corona-Krise einen mehrsprachigen Info-Service an (post@ma17.wien.gv.at; Facebook: StartWien; Telefon: 01/4000 81540), im Rahmen dessen man von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der MA 17 in seiner Muttersprache beraten wird. Hier werden grundlegende Fragen zur Ansteckung mit dem Virus, den Symptomen und der Prävention, aber etwa auch Fragen, die den Schulbetrieb betreffen, in 24 Sprachen – von Albanisch über Serbisch und Kroatisch bis hin zu Farsi oder Somali – kompetent beantwortet.

Natürlich hält die Stadt Wien auch abseits von Corona ein großes Angebot an mehrsprachigen Dienstleistungen bereit. So werden im Rahmen von Willkommenspaketen mit dem Namen „Start Wien“ Neuzugewanderte mehrsprachig über ihre Rechte und Pflichten sowie über wichtige behördliche Wege informiert. Die Veranstaltung „Wohin mit 14?“ richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die vor der Wahl ihres weiteren Bildungs- oder Berufswegs stehen. Das Projekt „Lernhilfe für Roma“ unterstützt junge Menschen auf Deutsch, Serbisch und Romanes bei ihren Hausaufgaben. „Lesepatinnen und Lesepaten“ in Wiener Kindergärten, Volkshochschulen und Horten machen Kindern Lust aufs Lesen in der eigenen Erstsprache. Und die „Wiener Sprachen App“ übersetzt Ausdrücke und Redewendungen für den Alltag. In letzter Zeit wurden mehrere Live-Termine Corona-bedingt digitalisiert, sprich: in „Webinare“ umgewandelt.

Außer Frage steht natürlich, dass das Erlernen der deutschen Sprache einen ganz wesentlichen Schritt in Richtung Integration darstellt. Deshalb bietet die Stadt Wien Erwachsenen und Jugendlichen eine Vielzahl von Möglichkeiten, Deutsch zu lernen. So können etwa – um nur eine von vielen Optionen zu nennen – junge Mütter in den mittlerweile sehr beliebten Kursen „Mama lernt Deutsch“ am Schulstandort ihrer Kinder Deutsch lernen, Wissenswertes über die Stadt erfahren und interessante Kontakte knüpfen.

Und weil eingangs von den „Stärken“ unserer Stadt die Rede war: Genau dieses Zusammenspiel – sowohl das Potenzial der Mehrsprachigkeit zu fördern als auch das Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen – trägt ganz wesentlich dazu bei, dass Wien stark bleibt. Nicht umsonst wurde unserer Metropole zehn Jahre in Folge die höchste Lebensqualität weltweit attestiert.

Portraits BGM Nagl 04.09.2019

Mag. Siegfried Nagl

Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz, ÖVP

Auf Augenhöhe kommunizieren

Die Basis erfolgreicher Kommunikation – egal, auf welcher Ebene – ist das gegenseitige Verständnis. Der öffentlichen Hand kommt dabei eine besondere Verantwortung zu: Nur wenn die Menschen die Vorgaben und Informationen der kommunalen Verwaltung verstehen, kann ein friedliches Zusammenleben funktionieren.

In Graz leben Menschen aus allen Kontinenten, Menschen mit mehr als 160 verschiedenen Nationalitäten, die ca. 150 verschiedene Sprachen sprechen. Natürlich kann eine städtische Verwaltung bei allem guten Willen niemals alle Sprachen abdecken und Informationsmaterial in allen Sprachen anbieten, die in ihrem Wirkungskreis gesprochen werden. Aber sie kann und muss versuchen, ein möglichst breites mehrsprachiges Angebot zu schaffen. Die COVID-19-Pandemie hat exemplarisch aufgezeigt, wie wichtig es ist, möglichst viele Menschen mit aktuellen Informationen zu versorgen. Die Stadt Graz hat darum alle relevanten Neuigkeiten rund um die jeweils gültigen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen in vielen verschiedenen Sprachen kommuniziert – von Französisch bis Farsi, von Paschtu bis Somali.

Über diese anlassbezogenen Kommunikationsmaßnahmen hinaus bin ich davon überzeugt, dass eine moderne und bürgernahe Verwaltung die Verpflichtung hat, mit den Adressaten ihrer Verlautbarungen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das beinhaltet die Verfügbarkeit von Informationen, die Klarheit der Sprache und einen erleichterten Zugang zu Ämtern ebenso wie das Schlagwort mehrsprachige Verwaltung. So hat Graz mit digitalestadt.graz.at alle wichtigen Formulare online zugänglich gemacht, um den Bewohnerinnen und Bewohnern den Zugang zu den Ämtern zu erleichtern bzw. den physischen Amtsweg überhaupt obsolet zu machen. Mit Maßnahmen wie dieser und einem konsequenten Einsatz von mehrsprachigem Informationsmaterial auf allen Ämtern der Stadt Graz wollen wir möglichst alle Menschen in unserer schönen Stadt erreichen.

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Stefan Berger

Bezirksparteiobmann Wien-Favoriten, Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderats, FPÖ

Österreich hat aufgrund des Volksgruppengesetzes für anerkannte Minderheiten bereits eine mehrsprachige Verwaltung in Regionen autochthoner nicht-deutschsprachiger Österreicher. Darüber hinaus stellen Gebietskörperschaften je nach Notwendigkeit Formulare auch in zusätzlichen Sprachen zur Verfügung. Ein gesetzlicher Anspruch auf die Verwendung der eigenen Sprache aus dem Herkunftsland wäre nicht nur mit unabschätzbaren Kosten verbunden, sondern würde auch Parallelgesellschaften Vorschub leisten.

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Dr.in med. vet. Helga Krismer-Huber

Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag, Die Grünen

In der Phase der flächendeckenden Virustestung haben bereits viele Gemeinden mehrsprachige Informationen auf ihren Homepages verwendet. Die Amtssprache ist Deutsch, aber wir sollten die digitalen Möglichkeiten nutzen, um Teilhabe schon vor der Aneignung guter Deutschkenntnisse von Beginn an zu ermöglichen.

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Günther Platter

Landeshauptmann von Tirol, ÖVP

„Gacmo Furan Kusoo Dhawoow Tirol!“

So begrüßt das Land Tirol die somalischsprachigen Leserinnen und Leser der mittlerweile in sechster Auflage erschienenen Broschüre „Tirol für AnfängerInnen“. In insgesamt neun Sprachen – von Arabisch bis Farsi – liegt dieser Willkommensgruß des Landes Tirol auf, um Menschen die Orientierung in und vor allem den Zugang zu unserer Gesellschaft zu erleichtern. Das ist nur ein Beispiel für Mehrsprachigkeit in der Tiroler Landesverwaltung. Solche Angebote können aber eines sicher nicht ersetzen: die deutsche Sprache als wesentlicher Schlüssel zur Integration. Ich begrüße jeden Schritt, der die Landesverwaltung noch näher zu den Bürgerinnen und Bürgern bringt und das Leben der Menschen in unserem Land erleichtert. Daher wurden die mehrsprachigen Angebote in Tirol in der Vergangenheit sukzessive ausgebaut. Parallel dazu haben wir aber auch das Angebot, Deutsch zu erlernen, laufend erweitert. Deutschkenntnisse helfen bei der Arbeitssuche, beim Einkaufen, beim Arztgespräch oder eben auch beim Behördengang.

Unsere Willkommensbroschüre informiert deshalb auch gezielt über das Angebot von Deutschkursen und die dafür zur Verfügung stehenden Förderungen. Am Ende des Tages wird uns ein erfolgreiches Zusammenleben nämlich nur dann gelingen, wenn wir uns gegenseitig verstehen – sprachlich und kulturell. Im Sinne des Prinzips „Fördern und Fordern“ werden wir in Tirol das mehrsprachige Informationsangebot laufend ergänzen und die Möglichkeit, Deutsch zu lernen, weiterhin unterstützen.

Die „Neuen Österreichischen Organisationen“ sind hierbei ein wichtiges Sprachrohr, das Brücken für Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich baut. Ich freue mich, dass sich mit den Neuen eine weitere Kraft in Österreich etablieren konnte, die ihren Beitrag zu einem friedlichen Miteinander, zu einer erfolgreichen Integration und zur Bewältigung dieser gesellschaftspolitischen Herausforderung leistet.

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Emer. o. Univ.-Prof. Dr. Hans-Jürgen Krumm

Netzwerk SprachenRechte

Die österreichische Verwaltung ist nicht genügend mehrsprachig. Spracherwerb ist ein lange andauernder Prozess. So viel und so gut Deutsch zu lernen, wie man in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen, etwa beim Arzt, bei einem Spitalsaufenthalt oder in wichtigen ausländerrechtlichen Bereichen braucht, um erfolgreich zu handeln, dauert mehrere Jahre, vor allem wenn es berufsbegleitend erfolgt. Es wäre also wünschenswert, im Gesundheits- und Bildungswesen, bei den für das Fremdenrecht zuständigen Behörden und bei der Polizei mehr mehrsprachige Menschen einzustellen, die selbst Migrationshintergrund haben. Die Zweisprachigkeit in der Begegnung mit Migrantinnen und Migranten wäre für diese auch eine Brücke zu einem erfolgreichen Erwerb der deutschen Sprache.

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Dr.in Carola Koblitz

Medienpädagogin und Sozialforscherin

Österreichs Bevölkerung verfügt über einen vielfältigen Sprachgebrauch, der schon aus diesem Grund eine entsprechende mehrsprachige Verwaltung nicht nur verdient, sondern auch benötigt. Dem bestehenden Bedürfnis nach Sprachvielfalt versucht auch die Europäische Union im Rahmen ihrer Sprachenpolitik mit dem Ziel entgegenzukommen, dass „jeder europäische Bürger zusätzlich zu seiner Muttersprache zwei weitere Sprachen beherrschen sollte“.1

Es geht nicht darum, dass MigrantInnen bei uns nicht Deutsch lernen können bzw. sollen. Es geht darum, das Individuum mit all seinen Sprachen zu respektieren. Durch Vereinheitlichung und mittels Ausnutzung moderner Technologien wird mit entsprechendem politischen Willen eine Realisierung multilingualer Verwaltungen möglich. Denn schon die Beantwortung der häufig gestellten Frage nach der Muttersprache ist in unserer multilingualen Gesellschaft für viele Menschen schwierig: Wird nach der als Erstes gelernten, der am besten gesprochenen oder der von der Mutter gelernten Sprache gefragt? Werde ich dann „schubladisiert“?

Auch Anpassungen der Formulierung können hier helfen, z.B. der Ersatz des Begriffs „Muttersprache“ durch Konzepte wie der „inhärenten Sprache“2, die die Rolle einer Sprache im Leben eines Individuums in den Vordergrund rückt. Die inhärente Sprache stellt eine Art „gelerntes Erbe“ dar: SprecherInnen fühlen sich in dieser Sprache sicher, „zu Hause“. Es handelt sich dabei um etwas, das Teil von ihnen ist, das sie eben inhärent haben und das ihre Identität respektiert.

Der berühmte österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein sagte: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ In diesem Sinne bedeuten mehr Sprachen in der Verwaltung einen sprachlich barrierefreien Zugang für unsere vielfältige Gesellschaft und damit eine Erleichterung für jeden Einzelnen von uns, auch für die Verwaltenden selbst.

1 https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/142/taalbeleid

2 Koblitz, Carola (2017): „Die Welt meiner Kinder.“ Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien.

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Gottfried Waldhäusl

Landesrat Niederösterreich, FPÖ

Das Erlernen der deutschen Sprache hat im Integrationsbild des Landesrats oberste Priorität. Als eines der von Gottfried Waldhäusl projektierten „10 Gebote der Zuwanderung“ ist es essenziell für eine erfolgreiche Integration und Selbstständigkeit im alltäglichen Leben. Daher ist das Erlernen der deutschen Sprache als Grundbedingung für alle Arten von Sozialleistungen und Integrationsmaßnahmen zu erachten.

Österreich muss klare Zeichen setzen, wie erfolgreiche Integration auszusehen hat. Eine über das verfassungsrechtlich garantierte Maß hinausgehende Zweisprachigkeit der österreichischen Verwaltung hätte den gegenteiligen Effekt und ist daher deutlich abzulehnen.

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Safak Akcay

Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat, SPÖ-Integrationssprecherin

Die Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig eine mehrsprachige Verwaltung ist. In der Stadt Wien gibt es seit 2004 eine eigene Integrations- und Diversitätsabteilung. Ihre MitarbeiterInnen sprechen die am häufigsten von MigrantInnen gesprochenen Sprachen. Darüber hinaus kommuniziert die Stadt Wien per Newsletter mit mehr als 800 Community-Vereinen, Institutionen und anderen MultiplikatorInnen und kooperiert mit MigrantInnenmedien.

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Dipl.-Ing. Harald Preuner

Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg, ÖVP

In der Stadt Salzburg leben mit Stichtag 1. Jänner 2021 Menschen aus mehr als 150 verschiedenen Nationen. Diese MitbürgerInnen stammen aus den Nachbarländern Österreichs, aber auch aus China, dem Iran, Japan, Syrien oder Frankreich (Quelle: https://www.stadt-salzburg.at/statistik-bevoelkerung/). Salzburg ist also auch bei den EinwohnerInnen so international wie sein Ruf. Die Mozartstadt ist global vernetzt und der Lebensmittelpunkt von Menschen aus aller Welt.

Dieser Vielfalt trägt auch die Stadtverwaltung Rechnung. In ihrem Leitbild ist klar festgehalten: „Wir tragen Verantwortung und setzen uns für das Wohl aller Menschen ein, die hier leben, arbeiten oder uns besuchen.“ Es ist ein wichtiges Anliegen in der Verwaltung, dass die Dienstleistungen, aber auch die Ansprüche, die an die BürgerInnen gestellt werden, verständlich und klar kommuniziert werden.

Die Stadt Salzburg hat dabei einen sehr umfassenden Zugang zum Thema Kommunikation, der weit über das Thema Mehrsprachigkeit hinausreicht. So wird in vielen Bereichen mit Piktogrammen gearbeitet, beispielsweise beim Thema Mülltrennung oder in Hausordnungen. Ebenso ist es das Ziel, in der Kommunikation möglichst barrierefrei zu sein. Texte werden in einfacher Sprache verfasst, Sitzungen des Gemeinderates in Gebärdensprache übersetzt und Videobotschaften selbstverständlich mit Untertiteln versehen. Zur Anwendung kommen mehrsprachige Broschüren ebenso wie VideodolmetscherInnen, die rasch und unbürokratisch in mehr als 50 Sprachen übersetzen können, was zu einer höheren Effizienz in den Arbeitsabläufen und zu einer höheren Zufriedenheit bei KundInnen und MitarbeiterInnen führt. Schriftstücke wie beispielsweise Bescheide oder Verträge wurden in einfache Sprache übertragen und sind daher für alle leichter verständlich. DolmetscherInnen in Gebärdensprache werden den BürgerInnen bei ihren Amtswegen im Magistrat zur Verfügung gestellt. Auch in der Bildsprache von Druckwerken wird darauf geachtet, möglichst viele Menschen anzusprechen.

Salzburg setzt ein umfassendes Kommunikationskonzept um, begleitet von vielen verschiedenen Maßnahmen. Das Ziel: verständliche Kommunikation mit möglichst allen Menschen, die in der Stadt leben. So gelingt es, der Vielfalt der BewohnerInnen der Stadt gerecht zu werden und effiziente Abläufe in der Verwaltung zu ermöglichen.

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DI.in Gabriele Fischer

Tiroler Landesrätin für Integration, Die Grünen

Das Thema ist weniger eine mehrsprachige Verwaltung, sondern ein professioneller Umgang mit der sprachlichen Vielfalt in der Gesellschaft. Wir müssen – neben der Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache – sicherstellen, dass Menschen auch dann von den Angeboten der Gesellschaft erreicht werden, wenn sie (noch) nicht ausreichend Deutsch sprechen.

Darüber hinaus ist natürlich eine öffentliche Verwaltung anzustreben, in der alle Bevölkerungsgruppen abgebildet sind. Manche Sprachprobleme würden sich dann wohl auch leichter lösen lassen.

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Kati Schneeberger

Präsidentin Vienna goes Europe, Bezirksrätin Wien Neubau, Kinder- & Jugendbeauftragte und Europa-Gemeinderätin, Die Grünen

Ein Formular in einer Sprache auszufüllen, die man nicht beherrscht, stellt ein unüberwindbares Hindernis dar. Fehlende Kenntnisse der Amtssprache sind hochgradig ausgrenzend. Die Beherrschung der Amtssprache bietet nicht nur einen Zugang zur Gesellschaft, sondern bedeutet auch Unabhängigkeit. Deshalb sollte man schon aus pragmatischen Gründen in essenziellen Bereichen, zum Beispiel in der Gesundheit, auf mehrsprachige Begegnungen vorbereitet sein, weil hier der Informationsaustausch oft lebenswichtig sein kann.

Ziel sollte es dennoch sein, so rasch wie möglich die deutsche Sprache in einem ausreichenden Maß zu beherrschen. Sie ist der Schlüssel zur Integration. Sprachbarrieren erschweren nicht nur den Zugang zur Verwaltung, sondern vor allem auch zur Gesellschaft. Gegenseitiges Verständnis bedarf einer gemeinsamen Sprache.

Mehrsprachige Verwaltung sollte sich daher auf jene Bereiche konzentrieren, in denen Mehrsprachigkeit unbedingt notwendig bzw. sinnvoll ist. Dies kann etwa in Bereichen sein, in denen Menschen anzutreffen sind, die erst kurz oder nur vorübergehend in Österreich sind. Unterlagen in verschiedenen Sprachen, aber auch VerwaltungsmitarbeiterInnen, die mehrere Sprachen beherrschen, können hier durchaus hilfreich sein.

Eine nachhaltige Maßnahme, die nicht nur allen Menschen den gleichen Zugang zur Verwaltung ermöglicht, sondern auch die Integration in der Gesellschaft fördert, sind Deutschkurse für alle ohne ausreichende Deutschkenntnisse. Diese müssen niederschwellig zur Verfügung stehen.

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Mag.a Dr.in Brigitte Kukovetz

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz

Österreichs Gesellschaft ist vielfältig – auch in Hinblick auf die Herkunft und die Erstsprachen der BewohnerInnen. In einem demokratischen, liberalen Staat ist es wichtig, diese Vielfalt anzuerkennen und wertzuschätzen. Um Teilhabechancen gerecht zu gestalten, braucht es daher Institutionen, die zum einen diese Vielfalt darstellen und repräsentieren und zum anderen durch eine adäquate Kommunikation die gesellschaftliche und politische Partizipation aller BewohnerInnen ermöglichen. Dies betrifft alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, etwa das Bildungs- und das Gesundheitswesen sowie den Arbeitsmarkt. Zuallererst sollte sich aber die Verwaltung diesen Anforderungen stellen.

Grundsätzlich kann ein Leitbild, welches die Mehrsprachigkeit der österreichischen Bevölkerung berücksichtigt, die Praxis der Verwaltung positiv beeinflussen. Ein solches Leitbild sollte jedenfalls die Ausgestaltung der Angebote bzw. Services, die Kommunikation nach außen und nach innen sowie die Ansprache der KundInnen bzw. AdressatInnen berücksichtigen.

Um eine mehrsprachige Verwaltung zu schaffen, sollte in allen Bereichen und auf allen Personalebenen der Organisationen auf die Repräsentation von MitarbeiterInnen mit Migrationsbiografie geachtet werden. Andere Diversitätskategorien sind im Sinne der Intersektionalität ebenfalls einzubeziehen. Mögliche Maßnahmen betreffen die Ausgestaltung der Ausschreibungen. Diese sollten diskriminierungsfrei gestaltet werden und die aktive Einladung von BewerberInnen mit anderen Erstsprachen als Deutsch sowie insgesamt mit mehrsprachigen Kompetenzen, welche die tatsächliche Sprachenvielfalt in Österreich widerspiegeln, beinhalten.

Der Wertigkeit von unterschiedlichen in Österreich gelebten Sprachen kommt im Bereich der Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Der Umgang mit Sprachen in der Organisation sowie in den Angeboten bedarf eines internen Diskussions- und Reflexionsprozesses, welcher in entsprechende Veränderungen münden sollte.

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Mag.a Aygül Berivan Aslan

Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat, Integrationssprecherin Grüner Rathausklub

Eine mehrsprachige Verwaltung ist zeitgemäß und sollte auf vielen Ebenen gefördert werden, nicht nur im Parteienverkehr, sondern auch im Bereich der telefonischen Beratung. Mehrsprachige Hotlines für bürokratische Anliegen müssen in bestimmten Bereichen (Arbeitsmarkt, Pension, Krankenversicherung etc.) flächendeckend angeboten werden.

Diese Forderung ist auch kein Novum: Man muss sich nur das Volksgruppengesetz ansehen, das für die vereinbarten Sprachen eine mehrsprachige Verwaltung festlegt. Zusätzlich dazu wäre es allerdings – gerade in Zeiten der Pandemie, aber auch darüber hinausgehend – wünschenswert, die sprachlichen Ressourcen der BewohnerInnen Wiens zu nutzen. Wien ist seit jeher ein sprachlicher Schmelztiegel. Beginnen wir damit, Mehrsprachigkeit als große Chance zu sehen, und setzen wir mehrsprachige KollegInnen aktiv in der Verwaltung ein!

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Mag.a phil. Maryam Laura Moazedi

Universitätslektorin, Universität Graz

Staub, Endloswortkreationen, Verklausulierung, Abwehr: Die Assoziationen mit Verwaltungssprache sind, milde formuliert, nicht immer zärtlich. An diesem Image mag einiges dran sein, allerdings ist unter all diesen Schwächen auch eine Stärke auszumachen: nämlich der Wille, in Bewegung zu bleiben, sich den gesellschaftlichen Forderungen und Werteverschiebungen entsprechend zu positionieren. Verwaltungssprache ist nicht statisch und bleibt nicht unberührt von sozialen, kulturellen und politischen Praktiken. Diese Verflechtung zeigt sich auch an den Reformansätzen aus Vergangenheit und Gegenwart. Die Anlässe variieren, die Kritik an der Verwaltungssprache ist aber von Anbeginn stets die gleiche verlässliche Konstante und Begleiterin geblieben: Nominalsucht, Fachwörter, Passivkonstruktionen, die Menschen abstrahieren, unpersönliche Formulierungen und Regelgebundenheit vor Verständnisorientierung lauten die Vorwürfe, Unmut, Entfremdung und Ausgrenzung die Sorgen.

Eine zentrale Rolle bei allen Reformen spielte und spielt stets die Bemühung um eine bürgerInnennahe Sprache, will heißen: eine allen verständliche Sprache. Zwar wurde die Heterogenität der RezipientInnenschaft in erster Linie durch Unterschiede im Bildungsstand definiert, woraus eine Orientierung an einer allen zugänglichen Gemeinsprache resultierte. Das Verständnis von Diversität wurde allerdings erweitert. Es folgten Anleitungen zu einer geschlechtergerechten Sprache in der Verwaltung und Informationen in mehr und mehr Sprachen. Die sprachliche Vielfalt widerzuspiegeln, bedeutet im Grunde genommen, die tradierte Kritik an der Verständlichkeit weiterzudenken, und ist eine Art logische Konsequenz der Sorge um Distanz, Ausgrenzung und konfrontative Haltungen sowie der Hoffnung auf Nähe, Akzeptanz, Integration, Wirksamkeit, Partnerschaftlichkeit und Handlungsfähigkeit. Mit anderen Worten: Eine Verwaltung, die in der viel zitierten Sprache des Volkes spricht, spricht im Sprachenplural.

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Christoph Wiederkehr, MA

Vizebürgermeister Wien, Stadtrat für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz, NEOS

Mein Ziel ist es, dass die demografische Vielfalt unserer Stadt auch in den Dienstleistungen und in der Personalstruktur der Stadt Wien abgebildet wird. Die Verwaltung soll so zu einem Spiegelbild unserer vielfältigen Bevölkerung werden. Auch das ist und bleibt eine zentrale Aufgabe für mich. Schon in der Vergangenheit gab es diesbezüglich gute Bestrebungen. So wird bereits das Ziel verfolgt, die Verwaltung „diversitätsfit“ zu gestalten, wobei Mehrsprachigkeit eine wertvolle Ressource darstellt. Das wollen wir forcieren, nicht nur was die sprachliche Vielfalt anbelangt, sondern auch was die interkulturellen Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es spezielle Maßnahmen wie Personalschulungen. Zudem werden auch die Produkte und Dienstleistungen der Stadt laufend optimiert und weiterentwickelt. Das Diversitätsmonitoring der Stadt Wien zeigt, dass diese Maßnahmen auch wirken: Bereits mehr als ein Viertel des Personals hat Migrationsbezug, wobei dieser Anteil stetig wächst. Wir sind froh, dass es diese evidenzbasierte Grundlage gibt, die aufzeigt, wo die Stadt Wien steht, welche weiteren Maßnahmen in Zukunft umgesetzt werden müssen und welche Herausforderungen noch auf uns warten. (https://www.wien.gv.at/menschen/integration/pdf/monitor-2020.pdf)

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Klaus Luger

Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, SPÖ

Braucht Österreich eine mehrsprachige Verwaltung? Diese Frage kann ich aus meiner Sicht als Bürgermeister der oberösterreichischen Landeshauptstadt eindeutig mit Ja beantworten. Denn in Linz leben Menschen aus mehr als 150 Nationen. Natürlich ist es ein Ziel, dass diese Bewohnerinnen und Bewohner spätestens bis zum Schulbesuch ausreichende Deutschkenntnisse erwerben. Sie werden dabei in jeder Hinsicht, zum Beispiel bereits in den Kindergärten durch Sprachförderprogramme, unterstützt. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist schließlich ein wesentliches Standbein gelungener Integration.

Linz sieht generell die kulturelle Vielfalt als Chance und zielt auf ein friedvolles Miteinander aller Bürgerinnen und Bürger ab. Wir haben deshalb ein Integrationsbüro eingerichtet, das als Schnittstelle für Informationen rund um die Zuwanderung dient und Projekte koordiniert. Mit Unterstützung dieser Dienststelle werden zielgerichtet Serviceleistungen in mehreren Sprachen angeboten. So wurde ein Info-Guide in neun Sprachen publiziert, der alle relevanten Informationen über städtische Angebote kompakt enthält. Darüber hinaus wird auf der städtischen Homepage www.linz.at über Strategien und Erfolge der Integrationsarbeit in Linz mehrsprachig informiert. Auch im BürgerInnenservice liegen die wichtigsten Formulare, etwa für Meldezettel, in mehreren Sprachen auf. Dazu kommt, dass sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Servicebereich selbst über Migrationshintergrund verfügen und daher im Bedarfsfall mit Kundinnen und Kunden in ihrer Muttersprache kommunizieren können. Mehrsprachigkeit in der Verwaltung ist also kein Nice-to-Have, sondern wird in einer Stadt wie Linz täglich als Notwendigkeit gelebt.

Copyright: Jolly Schwarz - https://www.facebook.com/JollySchwarzPhotography

Ayten Pacariz

Geschäftsführerin und operative Leiterin, Verein NACHBARINNEN in Wien

Österreich braucht eine mehrsprachige Verwaltung, um allen das Gefühl von Zugehörigkeit zu vermitteln. Verständlichkeit darf kein „Privileg“ der autochthonen Bevölkerung sein. Natürlich müssten alle dieselben Chancen haben und dürften nicht diskriminiert werden. Die Formulare der Verwaltung müssten auf jeden Fall in ein verständlicheres Deutsch umgeändert werden.

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Georg Willi

Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck, Die Grünen

Eine moderne Stadtverwaltung ist auch mehrsprachig. Von der Wiege bis zur Bahre umfassen die Aufgaben eines Magistrats unzählige Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt. In Innsbruck sind das Menschen aus etwa 146 Nationen, die schätzungsweise mehr als 150 Sprachen sprechen. Um möglichst alle BürgerInnen zu erreichen, ist es daher unbedingt erforderlich, auf diese Sprachenvielfalt Rücksicht zu nehmen. Die Stadt Innsbruck ist bemüht, den BürgerInnen unabhängig von ihren Deutschkenntnissen den Weg ins Rathaus zu erleichtern. So sind wir stolz darauf, dass wir 2016 der erste Magistrat Österreichs waren, der Videodolmetschen eingesetzt hat. Bei Bedarf können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesen Service zugreifen und damit binnen maximal zwei Minuten eine/n DolmetscherIn online zu einem Gespräch zuschalten.

Genutzt wird dieser Service im Sozialamt, im Standesamt, im Wohnungsservice, im Gesundheitsamt, im Bereich Sicherheit und im Amt Kinder, Jugend und Generationen. So haben etwa die PädagogInnen dieses Programm auf ihrem Laptop mit dabei, wenn sie Gespräche mit Eltern führen, die kein oder wenig Deutsch sprechen. Ein großer Vorteil für die Eltern ist, dass weder ihre eigenen Kinder noch ihre Verwandte oder Freunde für sie übersetzen müssen. Über das Videodolmetschen stehen fast 20 Sprachen ad hoc zur Verfügung. Wie wahrscheinlich auch die meisten anderen österreichischen Städte bietet die Stadtverwaltung Innsbruck mehrsprachiges Informationsmaterial, barrierefreie Informationen in leicht verständlicher Sprache sowie Sprachtrainings für Dienststellen mit viel Kundenkontakt. Gerade auch die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, über die „Amtssprache Deutsch“ hinaus zu denken und zu versuchen, möglichst viele BürgerInnen zu erreichen. Bei allen bisherigen Bemühungen um eine mehrsprachige Verwaltung gibt es natürlich immer auch Verbesserungsmöglichkeiten. So wird die Homepage der Stadt Innsbruck, die derzeit überarbeitet wird, in Zukunft zumindest auch in Englisch abrufbar sein. Als Bürgermeister der Stadt Innsbruck sehe ich die Entwicklungen zu einer zunehmend mehrsprachigen Verwaltung jedenfalls positiv.

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Sandra Ivkic

Gesamtleitung Integrationsmaßnahmen Österreichischer Integrationsfonds ÖIF

Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) Maßnahmen gesetzt, um Menschen mit geringen Deutschkenntnissen die wesentlichen Informationen rasch zur Verfügung zu stellen. Das mehrsprachige ÖIF-Informationsangebot zu den aktuellen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen in 17 Sprachen wird laufend aktualisiert. Neben Informationen per SMS, E-Mail und in den sozialen Medien wurde eine mehrsprachige Hotline eingerichtet und eine mehrsprachige Online-Beratung etabliert, in der ÖIF-TrainerInnen und -DolmetscherInnen MigrantInnen mehrmals täglich über die aktuellen Regelungen aufklären und gesicherte Informationen rund um COVID-19 vermitteln.

Gleichzeitig gilt es zu betonen: Um in Österreich – besonders in Zeiten von COVID-19 – für sich und andere Verantwortung übernehmen zu können, ist die Beherrschung der deutschen Sprache ein wesentlicher Faktor. Deshalb hat der ÖIF parallel zur mehrsprachigen Informationsarbeit rund um COVID-19 auch Online-Deutschkurse etabliert, um die Einschränkungen im regulären Kursbetrieb abzufedern. Mit den täglichen Online-Deutschkursen auf mehreren Sprachniveaus konnte der ÖIF seit dem Frühjahr 2020 trotz der Corona-bedingten Einschränkungen rund 45.000 TeilnehmerInnen beim Deutschlernen unterstützen. Das kostenlose Online-Deutsch-Lernangebot des ÖIF ergänzt den regulären Kursbetrieb und unterstützt Deutschlernende insbesondere beim selbstständigen und ortsunabhängigen Üben, Wiederholen und Überprüfen der Deutschkenntnisse, bei der Prüfungsvorbereitung oder beim Aufholen versäumter Inhalte. Im Rahmen der diversen Online-Kurse und -Beratungen stehen den TeilnehmerInnen DolmetscherInnen sowie MitarbeiterInnen mit verschiedenen kulturellen und sprachlichen Hintergründen zur Verfügung, um ihnen im Integrationsprozess die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Im Bereich des Spracherwerbs zeigen die Erfahrungen der letzten Monate: Online-Formate sind eine wertvolle Ergänzung zu Kurs- und Beratungsangeboten in Präsenz.

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Dr.in Maria-Luise Mathiaschitz

Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Klagenfurt, SPÖ

Die Städte und Gemeinden sind in vielen Bereichen des Lebens, etwa in der Daseinsvorsorge, die wichtigsten Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger. Um sicherzustellen, dass diese unverzichtbaren Dienstleistungen jedem Menschen unabhängig von seinen sprachlichen Voraussetzungen zugänglich sind, können wir in Klagenfurt auf ein großes Netzwerk an fachkundigen Dolmetscherinnen und Dolmetschern zurückgreifen, welche die Antragstellerinnen und Antragsteller bei ihren Behördenwegen begleiten. Dieses System hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich bewährt und wird permanent ausgebaut.

Gerade in der heutigen Zeit ist es unabdingbar, das Vertrauen in den Rechtsstaat nachhaltig zu sichern. Deshalb ist sicherzustellen, dass sämtliche Entscheidungen für die Menschen auch persönlich nachvollziehbar sind. Es gilt auch ihnen offen darzulegen, welche Möglichkeiten unser Rechtssystem ihnen bietet, um gegen Entscheidungen vorzugehen.

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Mag. Thomas Steiner

Bürgermeister der Landeshauptstadt Eisenstadt, Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag, ÖVP

Das Burgenland ist das Land der Volksgruppen und ein Vorzeigebeispiel des kulturellen Miteinanders. In Eisenstadt alleine leben neben vielen Burgenland-Kroaten bzw. Ungarn noch Menschen aus fast 100 Nationen. Aus diesem Grund und auch hinsichtlich der Globalisierung und der damit verbundenen wirtschaftlichen und privaten Mobilität ist die Mehrsprachigkeit in der modernen Verwaltung von zunehmender Bedeutung. Gerade in Zeiten der Pandemie, in denen die Kommunikation vielfach auf Telefon und E-Mail reduziert wird und Bürger und Verwaltungspersonal gleichermaßen ohne das sprichwörtliche „Reden mit Händen und Füßen“ auskommen müssen, ist in vielen Bereichen die Notwendigkeit von Fremdsprachenkompetenz noch bewusster geworden. Hohe Sprachbarrieren nehmen zusätzliche Zeit- und Personalressourcen in Anspruch, sodass mehr Zeit für Erklärungen benötigt wird. Das Risiko von fehlerhaften Angaben steigt. Doch nicht alle Verwaltungsleistungen und Geschäftsfelder einer Stadt sind gleichermaßen von Sprachbarrieren betroffen.

In unserer Stadt haben wir mit einer Bürgerservicestelle den persönlichen Erstkontakt mit dem Bürger und 90 Prozent seiner Anliegen kanalisiert. Die gängigsten Formulare sind hier in mehreren Sprachen erhältlich und man bedient sich einfacher, moderner Kommunikationstools wie Online-Sprachübersetzer. Diese sind im Bedarfsfall auch bei der Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen durch ausländische Antragsteller in Verwendung. Das interne multikulturelle Netzwerk – also zwei- oder mehrsprachige Mitarbeiter – steht in unserer kleinen Behörde selbstverständlich helfend zur Seite. Engagiertes Personal, Hausverstand und einfache Hilfsmittel sind in vielen Bereichen, so auch in der Kommunikation mit dem Bürger, der Schlüssel zum Erfolg.

Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin für Personal, Finanzen und Recht, vor einer Straßenbahn des Typs Flexity

Mag.a Alexandra Reinagel

Geschäftsführerin Wiener Linien

Wir sind bei den Wiener Linien sehr stolz darauf, dass unsere 8.600 MitarbeiterInnen aus rund 30 Nationen ein Spiegelbild der vielfältigen Wiener Gesellschaft sind. Egal, ob unterschiedliche Muttersprache, Alter, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe: Was uns alle eint, ist das gemeinsame Ziel, den WienerInnen bequeme, flexible und günstige Mobilität zu bieten. Seit vielen Jahren arbeiten wir an der Diversität im Unternehmen und achten auf eine wertschätzende und freundliche Umgebung für alle MitarbeiterInnen. Im Jahr 2021 setzen wir in der Weiterbildung zudem einen Schwerpunkt auf „unbewusste Vorurteile“ und setzen uns so aktiv mit möglicherweise verborgenen Auswirkungen unseres Verhaltens auseinander.

Die reichen Sprachkenntnisse unserer MitarbeiterInnen sind ein Schatz. Neben der schriftlich und akustisch breiten Fahrgastinformation auf Deutsch und Englisch stehen wir unseren Fahrgästen und TouristInnen aus der ganzen Welt dank vielsprachiger MitarbeiterInnen in Dutzenden weiteren Sprachen zur Verfügung. Gleichzeitig ist unternehmensintern eine gemeinsame Basis wichtig, denn niemand soll sich ausgeschlossen fühlen, weil er oder sie Gespräche nicht versteht. Die Arbeitssprache in unseren Bahnhöfen, Werkstätten und Büros ist Deutsch: die Sprache, die alle MitarbeiterInnen sprechen.

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Mag. Matthias Stadler

Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten und Vorsitzender im Fachausschuss für Integration des Städtebundes, SPÖ

Die Mehrsprachigkeit in unserer Gesellschaft ist bereits eine gelebte Realität. Auch die Menschen, die in St. Pölten wohnen, sind sehr oft mehrsprachig. So stellen die in unserer Stadt von mehr als 100 Nationalitäten gesprochenen Sprachen einen sehr wertvollen kulturellen Reichtum dar. Die Gemeindeverwaltung ist entscheidend für die Qualität und Lebendigkeit einer Demokratie, da sich BürgerInnen mit der lokalen Ebene am ehesten identifizieren und die Gemeindeverwaltung auch den Großteil öffentlicher Versorgungsleistungen bereitstellt. Die Kommune ist es, die identitätsstiftend wirkt, die Zugehörigkeit schafft und das Gefühl einer (neuen) Heimat vermitteln kann. Als Bürgermeister ist es mir ein Anliegen, Mehrsprachigkeit kontinuierlich zu fördern und sich für deren Verankerung in der Gesellschaft starkzumachen. Ziel ist es, die Potenziale auch von zugewanderten Menschen, die in unserer Stadt leben, zu nutzen und zu fördern.

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Dr.in Traude Kogoj

Diversity-Beauftragte des ÖBB-Konzerns

Wenn wir wollen, dass wir einander unmissverständlich verstehen, müssen wir uns die Chance geben, dass wir das auch tun können. Zweifelsfrei sind Informationen in der Erstsprache Voraussetzung dafür, um den Informationsinhalt nicht nur zu hören, sondern diesen auch zu verstehen und schließlich danach handeln zu können. Gerade bei Themen, welche die gesamte Bevölkerung betreffen, ist die Rollensicherheit für jede einzelne Person wichtig. Das gilt insbesondere auch für die gute und gemeinsame Bewältigung der gegenwärtigen Pandemie.

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Dr. Wilfried Haslauer

Landeshauptmann von Salzburg, ÖVP

Das Land Salzburg ist stolz auf seine Tradition als Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt und auf seine Rolle als Begegnungsort von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts weist Salzburg zudem eine deutlich positive Wanderungsbilanz auf. Aktuell werden in Salzburg rund 150 Sprachen gesprochen. Mehrsprachigkeit ist somit auch hierzulande gelebte Realität, verbunden mit großen Chancen und auch mit enormen Herausforderungen.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte normiert in Artikel 2, dass jeder (Mensch) ohne Unterschied auf Herkunft und Sprache einen Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten hat. Im Rahmen des „Salzburger Weges“ von „Integration von Anfang an und auf Augenhöhe“ ist das Land daher aktiv darum bemüht, mit seiner Integrationspolitik der zu gestaltenden Ambivalenz zwischen Mehrsprachigkeit als Chance und als Herausforderung gerecht zu werden. Der Bildungs- und Ausbildungsbereich, die Kulturpolitik, die Arbeitswelt und ebenso die Interaktion zwischen in Salzburg lebenden MigrantInnen und der Verwaltung stellen dabei zentrale Aktionsfelder dar.

Auch im Land Salzburg zeigt die Praxis, dass regionale und lokale Verwaltungen Integrationspolitik tendenziell flexibler und näher an den Menschen gestalten können. Dazu gehört auch das Knüpfen tragfähiger partnerschaftlich-zivilgesellschaftlicher Netzwerke. Die Landesverwaltung sieht es in diesem Sinne als ihre wesentliche Aufgabe an, den Zugang zum Recht und die Vermittlung des Verwaltungshandelns auch in sprachlicher Hinsicht so weit als möglich barrierefrei zu gestalten. Umgekehrt unterstützt das Land in vielfältiger Form den Erwerb der geltenden Amts- und Gesetzessprache. In allseitigem Bemühen kann und wird es gelingen, Sprache im Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen als Brücke zu einer vollständigen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu nutzen. Dabei kommt der öffentlichen Verwaltung eine wesentliche vermittelnde Funktion zu.

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Univ.-Prof.in Dr.in İnci Dirim, M.A.

Professorin Deutsch als Zweitsprache, Institut für Germanistik an der Universität Wien

Sprachen ergänzen einander

Es ist davon auszugehen, dass alle Menschen, die in Österreich leben, Deutsch können möchten. Wer würde schon gerne in der dominanten Landessprache angesprochen werden und zu wenig verstehen bzw. eine Antwort geben, die nur annähernd das wiedergibt, was eigentlich ausgedrückt werden sollte? Es kann allerdings immer sein, dass aufgrund der Lebensumstände der für eine möglichst reibungslose Kommunikation auf Deutsch notwendige Lernprozess nicht so schnell vonstattengeht. Es muss also nicht mit einem Unwillen von Deutschlernenden zusammenhängen, wenn die Kommunikation auf Deutsch schwierig ist. Es muss berücksichtigt werden, dass es jemandem, der neu in Österreich ist, nicht so schnell möglich ist, Kontakte zu Personen zu knüpfen, die in ihrem Alltag Deutsch sprechen, Freundschaften mit ihnen zu schließen, um darüber hinaus auch Deutsch zu verwenden, zu festigen und zu erweitern – und zwar ganz unabhängig von der eigenen Freundlichkeit und dem eigenen Engagement.

Auch sogenannten „Native Speakern“ des Deutschen geht es in anderen Ländern ähnlich, besonders wenn die jeweilige Amtssprache sich vom Deutschen stark unterscheidet. Auf Ämtern Möglichkeiten der mehrsprachigen Kommunikation zur Verfügung zu stellen, ist daher unerlässlich, um eine gelingende Verständigung zu erreichen.

Und: Auch wenn sehr gutes Deutsch beherrscht wird, kann es sein, dass die eine oder andere Erklärung in der „mitgebrachten“ Sprache besser gelingt als auf Deutsch. Kommunikation ist immer fehleranfällig: Es kann stets zu Missverständnissen kommen, auch wenn ein- und dieselbe Sprache verwendet wird. Gerade wenn es um wichtige Fragen geht, wäre es ein grober, zuweilen fataler Fehler, die Kommunikationsmöglichkeiten auf Deutsch zu beschränken. In verschiedenen Sprachen wurden und werden unterschiedliche Erfahrungen gemacht und versprachlicht, unterschiedliche Themen verhandelt und gelernt, die sich nicht immer einfach in eine andere Sprache übertragen lassen. In der globalisierten Kommunikationsgesellschaft ist es quasi ununterbrochen möglich, sich an einem Ort in verschiedenen Sprachen zu informieren und auszutauschen. Themen, Dinge, Menschen, Wissen und Sprachen machen zumeist nicht (mehr) vor geografischen Grenzen Halt und ergänzen einander. Nicht umsonst hat das Österreichische Wörterbuch vor einigen Jahren aus dem Türkischen das Wort „Bulgur“ oder kürzlich der Duden das Wort „Emoji“ aus dem Japanischen bzw. „Lifehack“ aus dem Englischen in seinen Sprachschatz aufgenommen.

EU-Bürger haben das Recht auf mehrsprachige Kommunikation bei österreichischen Behörden. Aber auch im Falle aller anderen Menschen mit anderen Staatsbürgerschaften wäre es ein Gewinn, wenn die Verständigung nicht auf Deutsch beschränkt bliebe, sondern die behördliche Kommunikation dem Fakt, den Regeln, Möglichkeiten und Potenzialen der mehrsprachigen Weltgesellschaft vor Ort angepasst würde.