Integration geflüchteter Ukrainer:innen

Welchen Herausforderungen müssen sich Organisationen stellen, um die Integration von geflüchteten UkrainerInnen zu gewährleisten? Welche zusätzlichen Maßnahmen sind nötig, damit auch künftig die Aufnahme und Integration geflüchteter UkrainerInnen gelingen kann? Welche Präzedenz- Initiativen (oder: rechtliche Rahmenbedingungen) wurden für ukrainische Flüchtlinge gestartet und wie können diese künftig im Umgang mit Flüchtlingen sinnvoll sein (z.B. Gratis-Öffi Ticket, Schaffung legaler Einreisewege/Visafreiheit, Arbeitserlaubnis)? Inwiefern ändert die Ankunft von UkrainerInnen unsere Sichtweise auf Integration/mehr Toleranz? Wie bedingen sich Toleranz und Integration (das eine ermöglicht das andere) und wie hat uns die Toleranz ggü. UkrainerInnen dies gezeigt? Was sind Best Practice Beispiele?

Andrea Klambauer, Neos, Salzburg, 20200710, ©www.wildbild.at

Mag.a (FH) Andrea Klambauer

Landesrätin in Salzburg, NEOS

Zuallererst müssen schnell angepasste Angebote zum Deutschlernen angeboten werden. Die Befristung des Vertriebenenstatus und damit auch der Beschäftigungsbewilligung stellt eine weitere Herausforderung dar. Ein großes Thema ist natürlich auch die Ungleichbehandlung zwischen den Asylwerber*innen unterschiedlichster Nationen und den Ukraine-Geflüchteten.

In Salzburg besteht eine Struktur, die jederzeit auch von Menschen aus der Ukraine genutzt werden kann. Im Sinne der Integration wird in Salzburg forciert, dass Menschen unterschiedlichster Herkunft diese Angebote nutzen. 

Ein rascher Zugang zum Arbeitsmarkt fördert die Integration. Daher sollte hier vehement weitergearbeitet werden, um auch anderen Menschen mit Fluchthintergrund einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Die Ankunft der Vertriebenen aus der Ukraine hat gezeigt, dass Verfahren zur Anerkennung des Aufenthalts rasch abgewickelt werden können. Ebenso, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt sehr schnell erfolgen kann. Dies wäre auch für Asylwerber*innen aus anderen Nationen zielführend, da so rascher ein selbstständiges Leben aufgebaut werden kann. 

Hinsichtlich Toleranz hat sich gezeigt, dass es Unterschiede gibt: Für Ukrainer*innen ist es oftmals einfacher, Arbeit zu bekommen, Wohnraum angeboten zu bekommen und so weiter. Hier wünsche ich mir mehr Toleranz anderen Nationen gegenüber, die ebenfalls vor Krieg flüchten mussten. Denn eine gute Integration kann nur dann gelingen, wenn alle gleichbehandelt werden und einzelne Gruppen nicht bevorzugt behandelt werden. 

In Salzburg wurde über die bestehende Infrastruktur des Freiwilligenzentrums die Freiwilligenbörse Ukraine gestartet, damit konnte von Anfang an die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung entsprechend kanalisiert werden. Auch über das bestehende Angebot „Sprachtraining und Integrationshilfe“ konnte rasch ein Pool an Dolmetscher*innen aufgebaut werden. 

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Dr. Peter Kaiser (SPÖ)

Landeshauptmann von Kärnten

Der Kärntner Arbeitsmarkt ist gut aus der Krise gekommen. In unserem Bundesland konnten wir in den vergangenen Monaten sogar Rekordbeschäftigungsstände verzeichnen. Während der Pandemie mit ihren Lockdowns haben viele Personen die Zeit genutzt, um sich sprachlich und in ihrer Qualifikation weiterzubilden. Der Arbeitskräftemangel begünstigt die Arbeitsmarktintegration zusätzlich.

Für den Arbeitsmarkt ist Diversität von ebenso entscheidender Bedeutung wie gesamtgesellschaftlich. In einer globalisierten Welt sind Mehrsprachigkeit und Vielfalt essenziell, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Dabei lautet die Devise „Fördern statt nur zu fordern“. Daher ist es notwendig, aufgeschlossene, zukunftsorientierte UnternehmerInnen, die sich engagiert in das Thema einbringen und vorleben, wie Integration und Diversität funktionieren, vorzustellen. Vorbilder, die aus Erfahrung sprechen, leisten unbezahlbare Überzeugungsarbeit.

In Kärnten wurden über die Corona-Joboffensive des AMS neben einer Vielzahl an Qualifizierungsmaßnahmen unter anderem auch Deutschkurse finanziert. Besonders hervorzuheben ist das vom Land Kärnten kofinanzierte ESF-Projekt „A:Life 2.0 – Asyl & Lehre in Kärnten“ der Diakonie de La Tour. „A:Life 2.0“ steht für Asyl und Lehre in Kärnten bzw. eine angebotene Perspektive zur Erwerbsintegration – vor allem in die ansässige Industrie und den Tourismus – mittels Vorqualifikation und Lehrstellenvermittlung sowie parallel und anschließend stattfindender sozialpädagogischer Begleitung.

Eine weitere Maßnahme ist „bildungsgutschein.deutsch“, deren Ziel es ist, in Kärnten lebende Personen mit geringen oder mittleren Sprachkenntnissen beim Erwerb der deutschen Sprache zu unterstützen und einen Anreiz zum Abschluss anerkannter Nachweise (ÖIF-zertifizierte Deutschprüfungen) zu schaffen. Dies unterstützt neben der sprachlichen und gesellschaftlichen Integration sowie dem daraus folgenden Verständnis umfassender System- und Wertekenntnisse auch die raschere arbeitsmarktpolitische Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern.

Ewa Ernst-Dziedzic

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic

Die Grünen, Sprecherin für Außenpolitik, Migration und Menschenrechte

Während weiterhin russische Raketen in der Ukraine einschlagen, die Energieversorgung systematisch zerstört und Zivilisten getötet werden, sind mit 1. November dem UNHCR zufolge 7,8 Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, aus der Ukraine in der EU registriert. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass aufgrund der zerstörten Infrastruktur im Winter weitere Vertriebene unsere Solidarität und Hilfe brauchen werden. 

 
Gerade vor dem Hintergrund der angespannten Unterbringungssituation ist hier dringendster Handlungsbedarf gegeben. Denn vor jeder Frage der Integration steht eine menschenwürdige Unterbringung. Hier sind der Bund aber gerade auch die Bundesländer in der Verantwortung! Zum Vergleich: Im Jahr 2017 gab es 17.000 mehr organisierte Plätze als heute, obwohl knapp 17.000 Menschen weniger in der Grundversorgung waren. Dies ist nur möglich, da die Zivilgesellschaft Großartiges leistet! Noch immer sind zwei Drittel der aus der Ukraine vertriebenen Menschen bei Privatpersonen untergebracht.

Was wir bislang für die Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine erreichen konnten, sind der effektive Zugang zu Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld, Absicherung der Erstversorgung aller aus der Ukraine geflohenen Menschen, eine Tagsatzanpassung für organsierte Unterkünfte (von 21 € auf 25 € pro Person pro Tag, plus 60 € pro Monat für privat Untergebrachte). Die wichtigsten weiteren Schritte wären: eine Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Ukrainer:innen, indem bürokratische Hürden des Umwegs über eine Beschäftigungsbewillung abgeschafft werden sowie die detaillierte Prüfung bzw. Vorbereitung einer Übernahme von Ukrainer:innen in die Sozialhilfe. Damit wäre auch die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice verbunden, was gerade auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sinnvoll ist. Wir müssen uns bewusst sein, dass der Krieg noch länger kann und die Menschen eine längerfristige Perspektive brauchen. Dazu zählt gerade auch die Anhebung der Zuverdienstgrenze, um den Übergang von der Grundversorgung in die Selbsterhaltung zu fördern. 

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Dipl. Ing.Harald Preuner

Bürgermeister der Stadt Salzburg

Bereits seit Februar 2022 befindet sich Europa im Ausnahmezustand: Putins grauenhafter Angriffskrieg auf die Ukraine wütet mit voller Kraft. Um den Wirren des Kriegs zu entkommen, machen sich Hunderttausende auf die Flucht in andere Länder, vor allem auch Österreich. Viele davon machen in Stadt und Land Salzburg Halt, wo das Rote Kreuz gemeinsam mit dem Samariterbund seit Beginn an die Versorgung übernimmt. Binnen weniger Tage wurden von Seiten der Stadt- und Landespolitik Hallen des Messezentrums als Aufnahmezentrum zur Verfügung gestellt, seit Oktober 2022 befindet sich das Ankunftszentrum in der Münchner Bundesstraße, wo die Vertriebenen erstversorgt, registriert und ihnen ein Grundversorgungsquartier vermittelt wird. Herausfordernd werden sicherlich die Wintermonate, wo man auch von Seiten des Landes mit einer höheren Zahl an aufzunehmenden Flüchtlingen rechnen kann. Hierzu haben wir aber vorgesorgt, denn binnen kurzer Zeit kann das Messezentrum als Ankunftszentrum hochgefahren werden.

Die Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren des Landes und der Stadt funktioniert sehr gut. In regelmäßigen Jours-Fixes werden aktuelle Themen und Veranstaltungen gemeinsam mit allen Verantwortlichen aus Stadt, Land und der Ukrainischen Gemeinde in Salzburg besprochen. So wird zum Beispiel ein temporär geschlossener Kindergarten des Magistrats in Kooperation mit der BAfEP als Kinderbetreuungseinrichtung für ukrainische Kinder genutzt. Weiters wird die Möglichkeit von gratis-Öffitickets für Schüler in der Stadt Salzburg geprüft. In den Kinderbetreuungs- und Schuleinrichtungen werden immer mehr Schulkinder aus der
Ukraine ausgebildet, die sich bestens in die bestehenden Sozialgefüge der einzelnen Klassengemeinschaften integrieren. Auch das Lehrpersonal aus der Ukraine, das bei der Wissensvermittlung der Schüler die österreichischen Lehrkräfte unterstützt, ist immer besser integriert. Als Bürgermeister der Stadt Salzburg möchte ich allen beteiligten Personen in der Hilfe zur Versorgung und Integration ukrainischer Geflüchteter meinen herzlichsten Dank aussprechen!

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Elke Kahr (KPÖ)

Bürgermeisterin von Graz

Die Pandemie hat zahlreiche Beschäftigte quer durch alle Bevölkerungsgruppen in eine prekäre Situation gebracht: Viele haben ihre Arbeit verloren und mussten sich neu orientieren, viele waren in Kurzarbeit und mussten mit Einkommenseinbußen zurechtkommen. Viele ÖsterreicherInnen und MigrantInnen mussten als Selbstständige besondere Herausforderungen bewältigen, etwa im Handel, wo ihnen praktisch verboten wurde, Einkommen zu erzielen. Für MigrantInnen war die Situation oft deshalb besonders prekär, weil sie häufig in Branchen beschäftigt sind, in denen die Bezahlung ohnehin sehr schlecht ist (zum Beispiel im Handel, in der Gastronomie, …), sodass sie keine finanziellen Rücklagen bilden konnten – mit fatalen Folgen für die gesamte Existenz. Hier sind Gesetze wichtig, deren Gültigkeit über die Dauer der Pandemie hinausreicht, zum Beispiel Delogierungsverbote.

Vielfältigkeit und Mehrsprachigkeit sind auf dem Arbeitsmarkt wertvolle Ressourcen und in vielen Branchen, etwa im internationalen Handel und im Tourismus, ganz wesentlich für den Geschäftserfolg. Das weiß man nicht nur in vielen Betrieben, auch die Beschäftigten und Arbeitssuchenden sollten sich dessen bewusst und stolz auf ihre speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten sein. Mehr Diversität am Arbeitsplatz ist eine Folgeerscheinung gesellschaftlicher Akzeptanz und auf jeden Fall eine Bereicherung. Ein Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, führt zu mehr Kreativität und schneller zu einer Lösung. Eine zentrale Rolle in dieser Entwicklung spielt auch hier die Bildung: einerseits die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung – eine Frage verantwortungsvoller Politik –, andererseits die Bildung in sämtlichen Bildungseinrichtungen, vom Kindergarten über die Schulen bis hin zur Erwachsenenbildung. Lohndumping ist einer der Gründe, warum die Stammbelegschaft in vielen Betrieben die Beschäftigung von „AusländerInnen“ so sehr fürchtet und als Bedrohung empfindet. Gleichwertigkeit bedeutet auch gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit – ein Thema, das nicht nur bei der unterschiedlichen Entlohnung von Frauen und Männern gilt, sondern auch bei jener von Personen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität.

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Nikolaus Kunrath

österreichischer Menschenrechtsaktivist und Politiker der Grünen

Krieg und Zerstörung sind eine der größten menschgemachten Katastrophen überhaupt. Krieg bedeutet nicht nur physische Zerstörung, die Bombardierung von Gebäuden, Straßen und Infrastruktur, sondern gleichsam auch die Auflösung des Alltags, wie er bisher erlebt wurde. Krieg bedeutet im Wesentlichen: Gefahr von Leib und Leben, Ressourcenknappheit, Ängste und vor allem psychische Belastungen – die sich oft noch Jahre später zeigen. Ganz wichtig ist hierbei: Gerade dazu versucht medizische Betreuung in der Ukraine aktiv zu arbeiten – von Anbeginn.

Wer flüchtet und sein bisheriges Leben hinter sich lassen muss, tut dies nicht freiwillig – und oft auf unbestimmte Zeit. Wie lange der Krieg in der Ukraine andauern wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Es braucht daher eine gezielte und unbefristete Hilfe. Nicht nur für die Geflüchteten selbst, sondern auch für alle Helfer:innen. Nur eine finanzielle Absicherung aller in diesem Bereich tätigen NGOs und Helfer:innen macht eine menschenwürdige Betreuung für Geflüchtete überhaupt möglich. Damit diese Hilfe auch ankommt, muss sie dort geleistet werden, wo so sie am dringendsten gebraucht wird – nämlich im Alltag der Betroffenen. Viele der wesentlichen Unterstützungen für Ukrainer:innen gibt es bereits und das ist gut so. Das sind Gratis-Öffi-Ticket, legale Einreisewege und Arbeitserlaubnis.

Des Weiteren wird es aber zunehmend wichtig auf den öffentlichen Diskurs rund um das Thema zu achten. Wir müssen als Gesellschaft dringend darauf achten nicht in unterschiedlichen Wertigkeiten und Kategorisierungen im Umgang mit Geflüchteten zu denken und zu agieren – denn „alle Menschen sind gleich an Würde und Recht geboren“, das besagt schon Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Deshalb kann in diesem Zusammenhang auch nicht von Toleranz gesprochen werden. Wenn wir von Toleranz ausgehen, dann sprechen wir von nichts anderem als von „Duldung“ – und diese geschieht immer nur von oben herab. Im Gegenteil, für mich geht es nicht um Toleranz gegenüber Geflüchteten, für mich geht es um ein ganz normales Zusammenleben und gegenseitigen Respekt – gemeinsam in einer Stadt, die wir alle Zuhause nennen können.

Pamela Rendi Wagner

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc

Bundesparteivorsitzende der SPÖ

Wir alle erleben derzeit eine Vielzahl an Krisen, und die innerhalb kürzester Zeit. Sei es die Rekordinflation mit steigenden Lebensmittel-, Gas- und Strompreisen, die Pandemie oder der verheerende Krieg in der Ukraine.  

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind zu uns geflohen, um sich vor den Angriffen zu schützen – allen voran Mütter mit ihren Kindern. Und angesichts der vielen Krisen braucht es gerade jetzt den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wenn es etwa darum geht, diese Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren. Dabei ist die Frage der Chancengerechtigkeit – und vor allem der Bildungschancen – eine ganz zentrale. Gerechte und gute Bildungschancen sind ein zentraler Grundstein für eine erfolgreiche Integration.  

Sibylle Hamann-74

Mag. Sybille Hamann

Abgeordnete zum Nationalrat, die Grünen

Für den Bildungsbereich: Die Aufgabe ist, ALLE Kinder und Jugendlichen, die sich länger in Österreich aufhalten, bestmöglich in den Bildungsbetrieb zu integrieren. Dies gilt auch für noch nicht schulpflichtige KInder (Kindergärten) und nicht mehr schulpflichtige Jugendliche (Sekundarstufe 2, weiterführende Ausbildungen, Hochschulen). EInige Herausforderungen zähle ich hier auf: 

  • regionale Verteilung (am Land gibt es häufig freie Kindergarten-und Schulplätze; in Wien, wo die meisten Ukrainer:innen bleiben wollen, sind Schulen und Kindergärten recht voll) 
  • psychische Belastung: Sorge um Väter, große Brüder, Verwandte, Ängste, traumatische Erlebnisse – Pädagog:innen sind damit oft überfordert, Mangel an psychosozialem Supportpersonal; auch bei geflüchteten Kindern, die schon seit 2015 hier sind, brechen derzeit Traumatisierungen auf. 
  • Bleibeperspektive: Kinder/Jugendliche, die damit rechnen, bald in die Ukraine zurückkehren zu können, wollen oft lieber ihre ukrainischen Schulabschlüsse machen als die österreichischen (bleiben zB im Distance Learning mit ihrer Heimatschule) = Doppelbelastung 
  • Lehrkräftemangel: Dieser besteht generell, aber verstärkt noch bei Lehrkräften für Deutsch und Deutsch als Zweitsprache. Dh nicht alle Planposten und zusätzlichen Förderstunden, die für die zusätzliche ukrainischen Kinder zur Verfügung stehen (Im Budget für 2023 sind dafür 182 Mio veranschlagt!), können auch tatsächlich besetzt werden 
  • Sprachförderung: Die starre Struktur der Deutschförderklassen passt häufig nicht. Die eigens eingerichteten Klassen mit ukrainischem Schwerpunkt passen ebenfalls nicht für alle, und sind überdies sozial segregierend.
  • Verteilung: Ab 7 Kindern ohne Deutschkenntnisse müssen Schulen laut Gesetz eine eigene Deutschförderklasse einrichten. Viele AHS würden gern ukrainische Kinder/Jugendliche aufnehmen, wollen jedoch diese Deutschförderklasen nicht einrichten, und nehmen daher nur maximal 7 Kinder.
  • Schulrecht: Der Aufstieg in die nächste Schulstufe ist im a.o. Status ist derzeit gesetzlich nicht erlaubt. Ukrainische Kinder sind im Lernstoff österreichischen Kindern manchmal 1-2 Schuljahre voraus, müssen aber dennoch die Schulstufe wiederholen, wenn sie den Mika-D Test nicht auf „ausreichend“ schaffen 

Zusätzlichen sind folgende Maßnahmen nötig,  damit auch künftig die Aufnahme und Integration geflüchteter UkrainerInnen gelingen kann: 

  •  ausreichend Ressourcen für zusätzliche Schulplätze und laufende Anpassung an den Bedarf (ist mit 182 Mio im Budget für 2023 eigentlich gewährleistet)
  •  Reparatur der oben erwähnten Gesetze (speziell für Deutschförderklassen)
  • Aufnahme/gezielte Anwerbung von Ukrainerinnen mit pädagogischer Vorerfahrung als pädagogische Assistenzkräfte, sowohl im Kindergarten als auch in der Schule
  • ausreichend Kinderbetreuungsplätze, damit auch Alleinerzieherinnen diese Jobs annehmen können
  •  Werben um zusätzliches Personal für DaZ, psychosoziale Unterstützung, Sozialarbeit, Lernbegleitung, Therapien
  • spezielle Angebote für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche (Berufsorientierung, Sprache, Sport, Coaching, gezielte Vorbereitung auf Lehre/Hochschule etc.) 
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Dr. Wilfried Haslauer

Landeshauptmann in Salzburg

Der 24. Februar 2022 war eine Zäsur: Den Einmarsch Russlands in die Ukraine hätten wir alle nicht mehr für möglich gehalten – trotzdem dauert diese Auseinandersetzung inmitten Europas bis heute an. 

Umso wichtiger ist es den Schutzsuchenden unsere Unterstützung anzubieten, das ist unsere solidarische Pflicht als Gesellschaft. Viele Vertriebene, insbesondere Frauen mit Kindern, haben auch in Salzburg Schutz gefunden. Zusammen mit den Behörden wurde innerhalb kürzester Zeit ein Ankunftszentrum sowie ein Infopoint als funktionierende Infrastruktur geschaffen. Dank vieler helfender Hände und den beteiligten Organisationen können wir sehr flexibel auf die Gegebenheiten reagieren.  

Behörden, Einsatz- und Hilfsorganisationen und natürlich die Zivilgesellschaft: Sie alle packen an und helfen mit, auch viele Monate nach Ausbruch des Krieges. Mit Bezirkshauptmann a.D. Reinhold Mayer sowie seiner Nachfolgerin Theresa Reichl steht das Vertriebenenmanagement auf einer soliden und professionellen Basis. Unter ihrer Federführung wurde beispielsweise auch die unkomplizierte Teilnahme von 100 ukrainischen Kindern und Jugendlichen beim österreichweiten Pfadfinderlager in Ebenau im August 2022 als wunderschönes Zeichen gelebter Integration und solidarischen Miteinanders organisiert. Auch im Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt gibt es positive Entwicklungen: Es gibt Deutschförderklassen und spezielle Unterstützung, je nach Bedarf und fast 40 Prozent der Ukraine–Vertriebenen im erwerbsfähigen Alter sind bereits in einem aufrechten Arbeitsverhältnis oder wollen das in Zukunft. 

Ich bin überzeugt, dass wir auch weiterhin dieses hohe Maß an Einfühlsamkeit und Menschlichkeit für Ukraine-Vertriebene in Salzburg hochhalten werden, hoffe aber übergeordnet natürlich auf ein möglichst schnelles Kriegsende. 

Yannick Shetty

Mag. Yannick Shetty

Abgeordneter zum Nationalrat, NEOS

Integration darf keinesfalls nur auf die Zivilgesellschaft und die Vertriebenen abgewälzt werden. Versorgung und Unterbringung sind Aufgabe des Staates. Dieser muss rasch Sozialleistungen und Arbeitsbewilligungen zuerkennen und eine aktive Rolle bei der Integration spielen. Herausfordernd bei diesen Prozessen ist die Verteilung der Vertriebenen, da die Angebote regional sehr unterschiedlich sind und die Ungewissheit, wie lange die Krisensituation andauert. Inflation, hohe Energiepreise und Fachkräftemangel kommen erschwerend hinzu. 

Zuerst muss das Fundament in Ordnung gebracht werden: Grundversorgung, Wohnen und Beihilfen, aber auch die Prozesse bis zur Arbeitsbewilligung müssen verbessert und beschleunigt werden. Natürlich müssen auch Quartiere in ausreichender Qualität bereitgestellt werden. Ministerin Raab muss die versprochenen Deutschkurse (mit Kinderbetreuung) ermöglichen. 

Für jene Ukrainer:innen, die sich wegen der andauernden Krise in ihrer Heimat ein neues Leben in Österreich aufbauen wollen, muss klar sein, unter welchen Voraussetzungen das möglich ist und wie die langfristige Integration sichergestellt wird. 

Vertriebene erhalten laut Integrationsgesetz Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld und Zugang zu Integrationshilfen des ÖIF. Diese Integrationsbemühungen ab Tag Eins sollten für alle Asylwerber:innen gelten. Denn der Zugang zum Arbeitsmarkt wirkt als Integrationsmotor und ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels auch für Unternehmen eine mögliche Lösung. Asylwerber:innen wären dadurch nicht mehr vom Staat abhängig. Wir erwarten darum die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie, wonach es ab einer Verfahrensdauer von 6 Monaten eine Arbeitserlaubnis geben muss. 

Wir hoffen, dass die Ukrainer:innen, die vom Großteil der Bevölkerung wohlwollend aufgenommen wurden, einen differenzierteren Blick auf die oft negativ geführte Integrationsdebatte ermöglichen.  

Best Practice Beispiele :

Die Sommer-Deutschkurse für geflüchtete Schüler:innen aus der Ukraine oder die Möglichkeit, die ukrainische Matura in Wien zu machen, sind Best-Practice-Beispiele. 

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Mag. Carmen Nardelli 

Amt der Vorarlberger Landesregierung – Abteilung Soziales und Integration; Koordinationsstelle für Integrationsangelegenheiten 

 

In Vorarlberg waren mit Stand 06. Dezember 2022 insgesamt 2.113 ukrainische Kriegsvertriebene registriert und in 80 von 96 Gemeinden untergebracht. Um eine gute Kommunikation und Koordination zu erreichen, war und ist es dem Land Vorarlberg wichtig, alle relevanten Systempartner einzubinden und die jeweiligen Schritte abzustimmen. Es wurde die Plattform „Vorarlberg hilft“ eingerichtet und unter www.vorarlberg.at/ukraine „Ukraine Hilfe – und mehr“ notwendige Informationen – auch mehrsprachig – für die Zielgruppe, Systempartner als auch für Freiwillig Engagierte zur Verfügung gestellt. So wie jedes andere Bundesland steht auch Vorarlberg vor ungewissen Herausforderungen, was die Kriegssituation und den weiteren Verlauf der Fluchtbewegung aus der Ukraine betrifft. Weiterhin wird das Land Vorarlberg das Ankommen von Vertriebenen aus der Ukraine im Rahmen seiner Möglichkeiten begleitend unterstützen.

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Mag.a Dr.in Anna Prianichnikova

Research Funding Adviser bei Technische Universität Wien 

Zur Zeit gibt es zu viele verschiedene Organisationen und es ist nicht klar, wer wofür zuständig ist. Es gibt keine universelle Organisation, kein Schema und keinen Standard für Betreuung. Oft hängt die Qualität der Hilfeleistung vom einzelnen Mitarbeiter ab. Die Kommunikation zwischen den Organisationen ist schlecht. Ein Großteil der Arbeit innerhalb der ersten 1-2 Monate wurde im Allgemeinen von Freiwilligen geleistet, die keiner Organisation angehörten. Ein großes Problem mit der Sprache ist, dass Organisationen nicht genügend Mitarbeiter haben, die Ukrainisch oder zumindest Russisch sprechen.

Die Abschaffung des Systems von Hotels und Wohnheimen, die irgendwann zu „Camps“ ohne finanzielle Unterstützung werden, das heißt, die Menschen besitzen praktisch keinen Cent und von Integration kann keine Rede sein. Unbeschränkter/kostenloser öffentlicher Verkehr ist entscheidend für die Integration. Im Moment können sich viele Menschen den Besuch von Ärzten, humanitären Zentren und Sprachkursen einfach nicht leisten. Das Verhältnis von Flüchtlingsgeld und Zuverdienst realistisch gestalten. Derzeit gibt es für Geflüchtete keinen Grund, arbeiten zu gehen, denn einfache Jobs ohne Deutschkenntnisse werden es nicht ermöglichen, Unterkunft und Essen für die Familie zu bezahlen. Schön wäre eine Vortragsreihe zu Steuern, Arbeitsmarkt etc. Viele Flüchtlinge haben Angst, zur Arbeit zu gehen, weil sie Angst vor den Bußgeldsystemen, dem Wegfall von Sozialwohnungen und der Notwendigkeit haben, das eingenommene Taschengeld zurückzuzahlen, und der Unmöglichkeit, ein Kind während der Arbeit in den Kindergarten zu bringen. 

Es besteht keine Notwendigkeit, separate Klassen für Ukrainer in Schulen zu organisieren, sondern Kinder von mehreren Personen in österreichische zu integrieren. Größtenteils wird vor allem Familien mit Kindern geholfen. Als „benachteiligt“ erweisen sich Einsame, Alte und Behinderte, deren Integrations- und Arbeitschancen ohnehin gering sind. Im Allgemeinen ist das System der Integration und der sozialen Unterstützung für diese Gruppen nicht ausgelegt. 

Für die ukrainischen Flüchtlinge wurden bereits verschiedene beispielhafte Initiativen ergriffen, darunter die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Schaffung legaler Einreisewege bzw. Visafreiheit und Arbeitsgenehmigungen. Diese Maßnahmen könnten als Vorbild für den Umgang mit Flüchtlingen dienen.

  • Freier öffentlicher Verkehr (mit eingeschränktem Auslandsverkehr nach Anmeldung in Österreich, da dies zu „Tourismus“ unter Flüchtlingen geführt hat). 
  • Zugang zum Arbeitsmarkt: Die kostenlosen Hotels/Herbergen für Flüchtlinge waren im ersten Monat unglaublich hilfreich, vor allem in Bahnhofsnähe für die Weiterreisenden aus Österreich. 

Für die Österreicher ist das schwer zu beantworten. Am Anfang herrschte eine große Hilfsbereitschaft, jetzt sehen wir oft Müdigkeit und Ärger, die meistens durch Missverständnisse verursacht werden. Zum Beispiel werfen die Leute den Ukrainern steigende Preise vor, ärgern sich über ihre „riesigen Jeeps“ (vereinzelte, aber das reicht aus) usw. Es scheint auch, dass sich Österreicher und Ukrainer nicht viel überschneiden – die meisten Ukrainer leben und kommunizieren in ihren eigenen Gruppen und Chats. Deshalb nehmen auch Missverständnisse untereinander zu.